Full text: Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig.

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Bis zum Bau der ersten Eisenbahnen bildete die Inanspruchnahme von 
Grundeigentum zur Herstellung öffentlicher Wege im Herzogtum den hauptsäch- 
lichsten Gegenstand der Zwangsenteignungen und Träger der Enteignungs- 
unternehmungen blieb noch auf lange Zeit darüber hinaus tatsächlich ausschließlich 
der Staat. So erklärt es sich leicht, daß die N. L.-O., auch wenn deren Be- 
stimmungen über das Expropriationsrecht nicht unter der Aufzählung der 
„Grundrechte“ ihre Stelle erhalten, also nicht lediglich unter dem Gesichtspunkte 
des Untertanenschutzes gegenüber Eingriffen der Staatsgewalt Aufnahme ge- 
funden hätten, nur eine Zwangsenteignung von „Privateigentum und Privat- 
gerechtsame“ in Betracht ziehen konnte. Eine Auslegung des § 33 dahin, daß 
der Staat hinsichtlich des seiner Verwaltung, Bewirtschaftung und Nutzung 
völlig nach Art des gewöhnlichen Privateigentums unterstehenden Kammerguts, 
wie des Grundbesitzes des Kloster= und Studienfonds dem Privateigentümer 
durchaus gleich zu achten sei und daß somit von den Eingangsworten des Para- 
graphen auch jenes „Staatsgrundvermögen im weiteren Sinne" mitumschlossen 
werde, möchte daher, wie sie dem Wortlaut Zwang antut, nicht minder aus 
sachlichen Rücksichten anfechtbar erscheinen dürfen (so auch Hampe, Braun- 
schweigisches Privatrecht, § 67, Anm. 3 und Zeitschrift für Rechtspflege, Bd. 49, 
S. 19, anderer Ansicht: Erkenntnis des Oberlandesgerichts Braunschweig in 
Zeitschrift für Rechtspflege, Bd. 52, S. 170). Dagegen hat der — ehedem 
nicht unbestrittene — Grundsatz, wonach der Zwangsenteignung alle Grund- 
stücke des Staatsgebietes und so auch die des Staates selbst — abgesehen von 
den eigentlichen res publicae (in publico usu, vgl. darüber: O. Mayer, 
Verwaltungsrecht II, S. 23 f.) — unterliegen, späterhin ausdrückliche Aner- 
kennung erlangt in verschiedenen, allgemein lautenden Landesgesetzen, namentlich 
der Wegeordnung vom 11. Mai 1840 Nr. 25 (§§ 5, 69, 72), dem Gesetz 
über die Entwässerung von Grundstücken vom 19. Dezember 1851 (§ 2) und 
dem Berggesetz vom 15. April 1867 (§ 138 f.), während es in Beziehung auf 
eines der bedeutsamsten Anwendungsgebiete der Expropriation, die Anlage von 
Eisenbahnen, bei der Deklaration vom 4. Mai 1835 Nr. 34 verblieben ist, 
die zwar als Exproprianten neben dem Staat auch Aktiengesellschaften zuläßt, 
den Zwang zur Abtretung von Grundeigentum aber nach wie vor auf die „im 
Privatbesitz befindlichen Grundstücke“ beschränkt. Auch das Gesetz, die Aus- 
mittelung der Entschädigungen bei Expropriationen betreffend, vom 13. Sep- 
tember 1867 Nr. 78 hat seinen Eingangsworten nach zum Gegenstande die 
Feststellung von Entschädigungen nur für zu enteignendes „Privateigentum“. 
Der Grund dieser Beschränkung liegt hier wohl darin, daß das Gesetz vornehm- 
lich veranlaßt worden ist durch die stetige und starke Zunahme der Enteignungen 
zu Eisenbahnzwecken und die übeln Erfahrungen, die hierbei den Grundeigen- 
tümern gegenüber gemacht waren; man bezweckte den Schutz des enteignenden 
Staates vor einer Überspannung der im § 33 der N. L.-O. gewährleisteten 
Ersatzansprüche, vor „Uberlastung durch Machinationen des mit einer Expro- 
priation bedrohten Eigentümers oder durch übertriebene Schätzungen des Wertes" 
(Schreiben des Staatsministeriums vom 16. Januar und 28. März 1866
	        
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