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zugekehrte Politik der Habsburger und Luxemburger den Verband des Reiches
lockerten und das kaiserliche Ansehen herabminderten, um desto leichter ward es
den Fürsten, jene Einzelrechte zusammenzuschließen und im Laufe der Zeiten
einer wahren öffentlichen Gewalt anzunähern. In den welfischen Landen ist
dieser Gang der Entwickelung nicht zum wenigsten durch den Umstand gefördert,
daß von den Tagen Rudolfs von Habsburg herab bis zum Ausgang des
14. Jahrhunderts aus der Reihe der deutschen Könige nur ein einziger den
niedersächsischen Boden betreten und es unternommen hat, dort einen bestimmen-
den Einfluß zu gewinnen. Gleichwohl ward solche Gunst der Verhältnisse von
den Landesherren nicht derartig ausgenutzt, daß ihre Machtstellung in eben dem
Maße, in welchem sie der Reichsgewalt gegenüber im Erstarken begriffen war,
auch nach innen, in den Beziehungen zu den eigenen Landsassen, eine ent-
sprechende Festigung errungen hätte. Die schon unter den Söhnen Ottos des
Kindes beginnenden und demnächst sich stetig wiederholenden Landesteilungen
zersplitterten den alten Besitz und minderten das Ansehen des Hauses. In
unaufhörlichen Fehden erschöpften die Herzöge ihre Kraft. Nicht selten nahm
der Kampf den kläglichsten Ausgang und schuf wirtschaftliche Bedrängnisse,
denen die Einnahmequellen des Landesherrn — der Ertrag seiner Hausgüter
und der Regalien (Zölle, Geleit, Münze, Bergwerk, Judenschutz) — nicht ab-
zuhelfen vermochten. Die Aufnahme von Anleihen gegen hohen Zins, Verkäufe
und Verpfändungen von Domanialgut und Gefällen steigerten die Zerrüttung
des fürstlichen Haushalts. So trieb den Landesfürsten die zwingende Not, in
immer stärkerem Maße den Beistand der angeseheneren Landsassen anzusprechen,
der dann wiederum nicht ohne Gegendienst und Gegenleistung, auf Kosten der
Herrschaftsrechte zur Verfügung gestellt zu werden pflegte.
Von jeher hatten die Vasallen und die fürstlichen Dienstleute (Ministerialen)
an der Ausübung der Landesherrschaft in gewissem Umfange teilgenommen,
hatten auf den Landtagen — den placitis provincialibus — und späterhin
den Hof= und Rittertagen bei wichtigeren Angelegenheiten Rat erteilt, mit ihrem
Herrn über den zu seinen Fehden zu leistenden Roßdienst verhandelt, das Recht
gefunden und bei der Gesetzgebung mitgewirkt. Aus ihrer Zahl nahmen die
Herzöge ihren ständigen Beirat und vielfach Schiedsrichter für Streitigkeiten,
die etwa innerhalb des fürstlichen Hauses oder mit auswärtigen Großen er-
wachsen konnten 1). Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts erscheinen dann
neben der Mannschaft bei besonderem Anlaß auch Prälaten („de papheit")
als Vertreter des kirchlichen Grundbesitzes und die Vorsteher und Vertreter
städtischer Gemeinden. Als der Herzog Johann die Schulden seines in
Dänemark Krieg führenden Bruders, des Herzogs Albrecht, weder durch
Verkauf und Verpfändung seiner Güter, noch durch Anleihe bei den
1) Ein Beispiel eines solchen Schiedsgerichts: der Vergleich zwischen Albrecht
von Braunschweig und Albrecht von Sachsen vom 28. Februar 1258, bei Suden-
dorf, Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg,
Tl. I, Nr. 46.