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2) Im Einklang mit den eingeklammerten Worten enthielt der § 65
der G.-O. vom 12. Oktober 1832 und späterhin der § 59 der G.-O.
vom 19. April 1852 die Bestimmung, daß durch die zur Aufrechterhaltung
der Redeordnung getroffenen Verfügungen der Landesversammlung das gericht-
liche Verfahren wegen gesetzwidriger Außerungen der Abgeordneten nicht aus-
geschlossen werde. In der Sitzung vom 12. Dezember 1866 trug Köpp
darauf an, in dem § 59 der G.-O. vom 19. April 1852 den Satz außzu-
nehmen, daß kein Abgeordneter wegen seiner Abstimmung oder wegen der in
Ausübung seines Berufs gemachten Außerungen gerichtlich oder disziplinarisch
verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen
werden dürfe, und daß die Disziplinargewalt über die einzelnen Abgeordneten
nur der Versammlung und deren Präsidenten zustehe. Zur Begründung des
Antrages wurde auf die jüngsten Erfahrungen hinsichtlich der parlamentarischen
Redefreiheit in Preußen hingewiesen und bemerkt, daß die härteste Kritik der in
der braunschweigischen Geschäftsordnung geltenden Bestimmungen in dem Lobe
der „Kreuzzeitung“ liege, die bei Besprechung des gegen Twesten eingeleiteten
Strafverfahrens jene für mustergültig erklärt habe. Nach der Annahme des
Antrages seitens der Landesversammlung legte dann die Regierung unterm
14. Juni 1867 den Entwurf eines Gesetzes vor, in welchem im Hirblick auf
die Vorschrift im Art. 30 der Verfassung des Norddeutschen Bundes eine
Anderung des § 59 der G.-O. dahin in Vorschlag gebracht wurde, daß der die
Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens betreffende Satz des Paragraphen ge-
strichen und durch die nachfolgenden Bestimmungen ersetzt werden solle:
„Dagegen darf kein Abgeordneter zu irgend einer Zeit wegen seiner Ab-
stimmung oder wegen der in Auslbung seines Berufs gemachten Außerungen
gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt, oder sonst außerhalb der Versammlung
zur Verantwortung gezogen werden. Insoweit der § 134 der Neuen
Landschaftsordnung vom 12. Oktober 1832 hiervon abweichende
Bestimmungen enthält, wird derselbe aufgehoben.“
Der Gesetzentwurf erlangte in der Sitzung vom 30. Juli 1867 die
einstimmige Genehmigung der Landesversammlung und ist als Gesetz vom
9. August 1867 Nr. 64, Abänderungen des § 59 der Geschäftsordnung für
die Landesversammlung vom 19. April 1852 betr., publiziert. — Vergleiche
übrigens auch: Reichsstrafgesetzbuch, Art. 11. Ob die Außerungen und Ab-
stimmungen der Abgeordneten, wenn sie den Tatbestand einer strafbaren Hand-
lung an und für sich enthalten, nicht doch unter anderen Gesichtspunkten (An-
stiftung, Notwehr u. a.) der strafrechtlichen Würdigung unterfallen können,
ist nicht unbestritten (siehe die Literaturangaben bei G. Meyer, Staatsrecht,
S. 302). Das Reichsgericht hat die Frage verneint (Entsch. in Strafsachen,
Bd. 4, S. 14 f.). Der Redefreiheit der Abgeordneten entspricht der weitere
Rechtssatz (R.-St.-G.-B., § 12), daß wahrheitsgetreue Berichte über die Ver-
handlungen eines Landtages von jeder Verantwortlichkeit frei bleiben. Zur
Auslegung: Entsch. des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 15, S. 32 f.;
Bd. 18, S. 207 f.
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