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der Pfarr-Witwen= und Waisenversorgungsanstalt und die Reform des Pfründen-
wesens.
a) Nach dem früheren Rechtszustande hatten die Geistlichen die Kosten,
die im Fall einer Emeritierung hinsichtlich ihrer Vertretung entstanden, von den
Einkünften der ihnen verliehenen Pfarrpfründen zu bestreiten, indem sie das
zum Unterhalt des Pastor adj. Notwendige von den Pfarreinkünften abgaben
und den Rest als Ruhegehalt behielten. An die Stelle dieses mit vielen Miß-
ständen verbundenen Systems ist durch Kirchen= und Landesgesetzgebung ein
anderes gesetzt, welches den Geistlichen mit dem Eintritt der Emeritierung von
seiner bisherigen Stelle völlig scheidet und ihn mit seinem nach dem Dienstalter
und dem Stelleneinkommen zu bemessenden Anspruch auf Ruheeinkommen an
einen Emeritierungsfonds verweist. Dieser (mit den Rechten einer milden
Stiftung ausgestattete) Fonds wird, abgesehen von regelmäßigen und einmaligen
Beiträgen der Geistlichen und Zuschüssen aus der Klosterreinertragskasse, ge-
bildet aus zeitweiligen Pfründenabgaben und aus den Überschüssen der Pfarr-
vakanzkasse bzw. der Konsistorialkasse (Kirchengesetz vom 1. Dezember 1882
Nr. 46, § 1, 9, 14; Staatsgesetz vom gleichen Tage Nr. 45, § 1, 2, 7). In
den Beratungen der Landessynode erachtete der Berichterstatter (Wirk) die
Heranziehung der Pfarrdotationen zum Emeritierungsfonds für unbedenklich
und mit dem § 217 der N. L.-O. wohlvereinbar, weil die Versorgung der
Prediger den sonstigen Zwecken des Stiftungsvermögens immerhin sehr ver-
wandt sei, auch nicht eigentlich dieses letztere „als solches, sondern nur soweit
es dem Pfarrinhaber bereits zur Einnahme gedient, herangezogen werde“
(Sitzung der 3. ordentl. Landessynode vom 9. Dezember 1880). Dagegen
erklärte die Begründung des Entwurfs des Staatsgesetzes (Anl. 20c der Ver-
handlungen des 17. ordentl. Landtages, S. 9) es für zweifelhaft, ob nicht die
hinsichtlich der dauernden Pfarrbeiträge und der zeitweiligen Pfründenabgabe
getroffenen Bestimmungen mit dem § 217 in Widerstreit gerieten, da die
Kirchen, als deren Zubehör die Pfarren erschienen, nach dem bisherigen Recht
die Verpflichtung hätten, direkt von den zur Pfarrdotation bestimmten Gütern
nicht nur den amtierenden Pfarrer zu unterhalten, sondern auch den Emeritus
„mit einem ziemlichen Leibgedinge zu versehen“. Es war hinzugefügt, daß
sachlich die Frage ohne Bedeutung sei, weil durch die Zahlungen an den
Emeritierungsfonds dasselbe erreicht werde, was bisher durch unmittelbare Zu-
wendungen aus dem Pfarrvermögen an den Emeritus erreicht sei; materiell
liege daher ein Verstoß gegen § 217 nicht vor, formell bestehe aber allerdings
zwischen jenen unmittelbaren Zuwendungen an den Emeritus und den künftigen
mittelbaren durch den Emeritierungsfonds ein Unterschied, weshalb es sich
empfehle, die Bestimmungen jenes Paragraphen, soweit sie entgegenstehen sollten,
außer Anwendung zu setzen. Der Gesetzentwurf, durch dessen § 7 demnach
allgemein die den im Emeritierungsgesetz enthaltenen Vorschriften etwa zuwider-
laufenden, auf Landesgesetz oder Observanz beruhenden Bestimmungen auf-
gehoben werden, hat dann die Zustimmung der Landesversammlung gefunden,
ohne daß in deren Beratungen die aufgeworfene Frage weiter berührt ist.