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Es bewog den engeren Ausschuß, in einer Eingabe an den Landesherrn die
Vermutung, daß vielleicht in einigen Punkten Änderungen der erneuerten Land—
schaftsordnung gewünscht würden, auszusprechen und um Bezeichnung der in
Betracht kommenden Einzelheiten zu bitten, damit man sich darüber mit seinen
Auftraggebern ins Einvernehmen setze: es werde ein leichtes sein, dem ganzen
deutschen Vaterlande Zeugnis darzulegen, daß im Herzogtum Braunschweig
Herr und Stände „in ihren Ansichten hinsichtlich des gemeinen Besten niemals
verschiedener Meinung sein können und daß in treuer Willfährigkeit die letzten
nie den landesväterlichen Wünschen ihres Durchlauchtigsten Herzogs entgegen
sind 1)". Die Erwiderung des Herzogs erkannte die geäußerten patriotischen
Gesinnungen an und bemerkte, daß es allerdings zweckmäßig erscheine, wenn
für die landständischen Verhältnisse ein fester und dauerhafter Rechtszustand ein-
trete, weshalb vom Staatsministerium 2) über die notwendig scheinenden Ver-
änderungen in der erneuerten, bis jetzt nicht anerkannten Landschafts-
ordnung Bericht erstattet und dann ferner mit der Landschaft kommuniziert
werden solle (Reskript vom 30. Mai 1827). Es erscheint unbegreiflich, wie
der Ausschuß, anstatt infolge dieses Reskripts, das eine unumwundene Miß-
achtung der vereinbarten Verfassung aussprach, nach dem Beispiel seiner Vor-
vorderen zu einer Konvokation der Landschaft zu schreiten, keinerlei Anstalt traf,
den Rechtszustand zu wahren 2). Auch als bekannt geworden war, daß die vom
Herzog eingesetzte Kommission die ihr vorgelegte Frage, ob die erneuerte Land-
schaftsordnung Beeinträchtigungen landesherrlicher Rechte enthalte, bis auf einen
einzigen Punkt ") verneint habe, begnügte sich die Vertretung der Stände damit,
in einem neuen Gesuch an den Herzog Versicherungen ihrer treuen Ergebenheit
abzugeben, auf das seit Jahrhunderten ungetrübt erhaltene Verhältnis zwischen
Herrn und Ständen hinzuweisen und schließlich Sr. Hochfürstl. Durchlaucht die
alleruntertänigste Bitte um baldige Berufung des Landtages dringend ans Herz
zu legen (Schreiben der vereinigten Ausschüsse vom 7. Oktober 1828). Aber
das Gesuch blieb unbeantwortet. Inzwischen wuchs die Mißstimmung im Lande
in bedrohlichem Maße, wiederholt liefen von Mitgliedern der Stände Mahnungen
zu pflichtmäßiger Wahrung der Verfassungsrechte ein, und bald nahmen auch
die Händel des Herzogs mit dem König von England einen Verlauf, der für
die Selbständigkeit des Herzogtums fast schien bedenklich werden zu können. Da
war denn ein entschiedenes Vorgehen nicht länger zu vermeiden. In der
Sitzung vom 21. März 1829 beschlossen die vereinigten beiden Ausschüsse, zur
1) Das Schreiben, dessen unterwürfiger Ton durchaus nicht angenehm berührt,
ist von dem Oberappellations= und Geheimrat v. Strombeck abgefaßt und datiert
vom 26. Mai 1827.
2) Die nach dem Vorgange Hannovers durch Verordnung vom 31. Mai 1827
eingeführte Bezeichnung für das bisherige „Geheimratskollegium“".
") In der späteren Versammlung der Stände sind ihm auch schwere Vorwürfe
über seine Unschlüssigkeit nicht erspart geblieben.
“) Den § 32, laut dessen jedes landesherrliche Reskript als erschlichen gelten
soll, wenn ihm die Kontrasignatur des Ministers fehlt.