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Herrlichkeit des Reiches zusammen, in welchem die Zeitge—
nossen ein christliches Weltreich erblickt hatten. Die Ver-
bindung eines Teiles der Deutschen mit dem Papsttum
gegen das Kaisertum, d. h. mit dem romanischen gegen den
germanischen Geist, hatte dieses traurige Ergebnis einer
ruhmvollen Geschichte herbeigeführt. Aber das Papsttum
hatte sich dieses Erfolges nicht zu freuen. In eben jener
Zeit tauchten auch die Anzeichen einer Zersetzung der Kirche
auf. Satirische Anspielungen auf Papsttum und Geistlichkeit
fanden sogar an den gotischen Domen in Bildhauerarbeiten
der Steinmetzen ihren Platz. Zahlreiche Sekten entstanden
mit der Tendenz, der römischen Hierarchie gegenüber die
altchristliche Einfachheit wieder einzuführen. Im vier-
zehnten Jahrhundert zerfiel sogar das Papsttum in feindliche
Parteien unter zwei bis drei Päpsten. Es war eine allge-
meine Reaktion gegen die Einheitsbestrebungen sowohl des
Reiches als der Kirche eingebrochen.
Ihren Gipfel erreichte die Zersplitterung des Reiches
und der Kirche in der Kirchentrennung oder Reforma-
tion. Die unter diesem Namen bekannte politisch-religiöse
Bewegung des 16. Jahrhunderts ist kein zu dieser Zeit
plötzlich und unerwartet auftauchendes Ereignis, durch welches
die Kirche Christi frevelhafter und tückischer Weise zerrissen
worden, sondern einfach der einstweilige Schlußpunkt einer
seit den ersten Jahrhunderten der Existenz des Christentums
beharrlich fortgeführten, in den politischen, kirchlichen, wissen-
schaftlichen und künstlerischen Verhältnissen, besonders in den
zahlreichen Sekten klar genug ausgesprochenen Opposition
gegen das in der Kirche herrschend gewordene System und
dessen Glaubenszwang. Nicht die Reformatoren haben die
Reformation gemacht, um heiraten zu können, wie oft be-
hauptet wird, obschon in diesem Wunsche durchaus nichts
Unrechtes liegt, derselbe vielmehr als ein sehr tugendhafter
erscheinen muß gegenüber dem kurz vor der Reformation