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Allerdings wird — leider — auch außerhalb der „Gesell-
schaft Jesu“, sogar von heftigsten Gegnern derselben, der
Grundsatz, daß der Zweck die Mittel heilige, vielfach befolgt.
Dies ist aber nicht zu vermeiden; denn es ist nicht möglich,
die Befolgung dieses Grundsatzes in seiner Allgemeinheit in
die Schranken eines Strafgesetzbuch-Paragraphen zu bringen.
Es würde nun allerdings nicht viel zu bedeuten haben, wenn
der Grundsatz, daß, wo der Zweck erlaubt ist, auch die Mittel er-
laubt seien, bloß für sich dastände, ohne daß praktische Konse-
quenzen daran geknüpft würden. Aber das Schlimme liegt eben
darin, daß die gesamte Sittenlehre der Jesuiten von der
ältern bis auf die neueste Zeit nur in einer weitern Aus-
führung jenes in seiner Anwendung so bedenklichen Satzes
besteht. Diese Sittenlehre ist aber um so gefährlicher, als
sie in vielen Fällen mit dem Leben ihrer Urheber im geraden
Widerspruche steht und daher um so mehr zu unsittlichem
Handeln mittelbar ermuntern oder solches wenigstens ent-
schuldigen kann. Unter diesen Sittenlehren ist nämlich einer
der bedeutendsten Antonius von Escobar und Mendoza
(geb.1589, gest. 1669), welcher das strengste sittliche Leben führte
und der peinlichsten Pflichterfüllung in seinem geistlichen Amte
oblag, was, wie wir nicht zweifeln wollen, auch von den
meisten, wenn nicht allen, der übrigen jesuitischen Moralisten
gesagt werden kann. Diese Männer haben jedoch durch die
laxe Moral ihrer Lehren ihren Gläubigen indirekt das Recht
gegeben, ihr eigenes strenges Verhalten für unnötig zur
Erlangung religiöser und moralischer Verdienste zu erachten.
Keine Schönfärberei kann die Thatsache umstoßen, daß
beinahe sämtliche Jesuiten, welche über Moral geschrieben
haben, unter ihnen 50 bis 60 namhafte fleißige Schrift-
steller und geistreiche Gelehrte, diejenigen Handlungen, welche
vom gesunden Menschenverstande und von den Sitten-
vorschriften aller civilisierten Völker als schlecht erklärt
werden, in vielen Fällen als erlaubt, in vielen wenigstens