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so zusammen: „In allen zweifelhaften Dingen, und nur in
diesen, in welchen es streitig ist, ob sie erlaubt sind oder
nicht, darf man der wahrhaft probabeln Ansicht folgen,
welche die Handlung oder Unterlassung als erlaubt bezeichnet,
selbst wenn die entgegengesetzte Meinung, nach welcher sie
für unerlaubt gehalten wird, auch probabel oder sogar
probabler ist (Theol. mor. I, p. 64).“ Damit läßt sich
schlechterdings jede Handlungsweise rechtfertigen.
Das eben Gesagte erhält gewichtige Unterstützung da-
durch, daß in der That die einen jesuitischen Moralisten
dieselbe Handlung für erlaubt erklären, welche die anderen
verdammen. Während Vasquez den Mord entschieden ver-
dammt, entschuldigen Lessius und Escobar den Mord aus
Rache. Gregor von Valencia erlaubte dem Richter, der für
die eine Partei so viel Wahrscheinlichkeit des Rechtes vor-
handen findet, wie für die andere, derjenigen Recht zu
geben, deren Vertreter ihm befreundet ist, ja sogar um
seinem Freunde zu dienen, das eine Mal so, das andere
Mal anders zu urteilen — wenn daraus kein Skandal
erfolge! Azor und Escobar (Theol. mor. tom. I, p. 48)
erlauben dem Arzte, eine Arznei zu verordnen, von welcher
anzunehmen ist, daß sie heilen könne, wenn auch wahr-
scheinlicher sei, daß sie schade.
Ebenso bequem ist die Lehre von der „Leitung der
Absicht,“ welche darin besteht, daß eine nach gewöhnlichen
Begriffen schlechte Handlung dadurch erlaubt werde, daß ein
erlaubtes Moment sich ihr beigeselle. So stimmen z. B.
die Jesuiten Vasquez, Hurtado und Tanner darin überein,
daß ein Sohn den Tod seines Vaters wünschen, ja sich
darüber freuen dürfe, wenn er nicht den Tod als Zweck
betrachte, sondern das zu ererbende oder ererbte Vermögen
ins Auge fasse. Damit nicht zufrieden, gestattet Pater
Fagundez jene Freude sogar in dem Falle, wenn der Sohn
seinen Vater in der Trunkenheit selbst erschlagen habel