Besonders bezeichnend für die ältere jesuitische Denk-
weise ist aber der innere Vorbehalt, mit welchem auch
in den meisten Fällen die Zweideutigkeit verbunden ist.
Er findet statt, wenn man einen unwahren Umstand ver-
sichert, ja sogar beschwört und sich Worte hinzudenkt, durch
welche die Versicherung oder der Eid wahr werden. Die
Zweideutigkeit wählt statt des Hinzugedachten einen Aus-
druck, dem in Gedanken eine andere Bedeutung beigelegt
werden kann. Sanchez ist besonders stark hierin und geht
so weit, zu erlauben: wenn ein Mörder gefragt werde, ob.
er den Ermordeten getötet habe, so dürfe er antworten:
nein, sofern er z. B. dazu denke, vor seiner Geburt habe
er ihn nicht getötet (Opus moralc 1. III, p. 356). In
ähnlicher Weise erlaubt Cardenas: wenn jemand einen
Franzosen ermordet habe, so könne er ohne Lüge
behaupten, er habe keinen solchen (Gallum) getötet, sofern
er sich darunter einen Hahn (gallum) denkt (Cris. theol.
pag. 395). So kann man z. B. auch leugnen, ein Schloß
(an der Thüre) erbrochen zu haben, sofern man dabei an
ein Schloß (als Gebäude) denkt. Escobar dehnt diese Lehre
aus, indem er davon dispensiert, Versprechungen zu halten,
bei deren Ablegung man bereits beabsichtigt habe, sie nicht
zu erfüllen!
Noch gefährlichere Folgen kann der Utilismus haben,
welcher ein Verbrechen erlaubt, durch welches man einen
großen Schaden von sich (!) abwenden kann. Lamy, Lesius,
Tanner und Navarra z. B. erlauben, dem Verleumder seiner
Ehre durch einen Mord zuvorkommen, sich einem Duell, das
sie übrigens für erlaubt halten, durch den Mord des Geg-
ners, ja sogar einem entehrenden Urteile durch den des
Richters und der Zeugen sich zu entziehen; Caramuel: ein
Weib zu töten, mit dem man sich vergangen, wenn zu be-
fürchten sei, daß sie es verrate.
Harmloser, aber ebenso verächtlich, erscheinen der Quic-
Henne am Rhyn, Jesuiten. 5