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tismus, welcher die Sünde gestattet, sofern die Seele sich
ihr „mit Widerstreben“ hingebe oder sofern die Person, mit
welcher man sie begehe, darin einwillige, — der Clande—
stinismus, welcher (namentlich durch Escobar) Alles ent-
schuldigt, was geheim bleibt (nach der Regel: si non caste,
tamen caute, wenn nicht tugendhaft, doch vorsichtig!) und
der elende Formalismus, welcher alle Gebote zu umgehen
erlaubt, wenn man es unter einer andern Form thut, als
das Gebot enthält, z. B. ein verbotenes Buch in einzelnen
Blättern liest, weil man dann kein „Buch“ gelesen hat.
(Gurg Compend. Ratisb. 1874, Pars II. pag. 906, No. 982).
Gehen wir nun auf die Ansichten der Jesuiten über
einzelne Laster und Verbrechen ein, so können wir uns bei
der geschlechtlichen Gruppe unstatthafter Handlungen am
kürzesten fassen, weil die Art und Weise, wie die jesuitischen
Moralisten dieselbe besprechen, den einfachsten Begriffen von
Anstand dermaßen in's Gesicht schlägt, daß sie nicht näher
erörtert werden kann. Es ist schon bezeichnend, daß die
Übersetzungen von Pater Gury's Moraltheologie dieses
Kapitel in der lateinischen Ursprache lassen und nicht in
neueren Sprachen wiedergeben. Was dabei am meisten
abstößt, ist der Umstand, daß die Jesuiten das weibliche
Geschlecht mit Abscheu und Verachtung behandeln und nur
mit einer Verführung der Männer durch dasselbe, nicht mit
dem beinahe allein stattfindenden Gegenteil den Begriff der
Sünde zu verbinden scheinen. Was die Männer in dieser
Richtung verüben, findet überall seine zahlreichen Entschul-
digungen, so daß es kaum einen Fall giebt, in welchem
sie verurteilt werden, während die armen Frauen viel
schlechter wegkommen. Gestatten ja viele Jesuiten dem Ver-
führer, die Heirat seines Opfers zu unterlassen, wenn —
ein schlimmer Ausgang der Ehe „befürchtet“ werde, und
sprechen einen Mann von jeder Entschädigung an seine Mit-
schuldige frei, ja sogar von der Bitte um Verzeihung bei