Full text: Die Jesuiten, deren Geschichte, Verfassung, Moral, Politik, Religion und Wissenschaft.

— 68 — 
thun auch rein nichts zur Sache, wenn einmal Unkeuschheit 
vorliegt. Eine eindringliche Ermahnung ist hier einem un- 
saubern Examen doch gewiß weit vorzuziehen, wirksamer 
und der Kirche würdiger, abgesehen von den Gefahren, die 
es unter Umständen sowohl dem Beichtvater als dem Beicht- 
kinde bereiten kann! Unschuldige Knaben und Mädchen 
und unerfahrene Frauen können hierdurch auf Gedanken 
geführt werden, die ihnen sonst fremd blieben. 
Die Lüge spielt eine große Rolle im jesuitischen 
Moralsystem, leider mehr durch ihre Gestattung, als durch 
ihr Verbot. Die Jesuiten gestatten in Strafprozessen den 
Angeklagten und den Zeugen so viele Verdrehungen, Leug- 
nungen und andere Unwahrheiten, daß bei ihrer Befolgung 
die Thätigkeit der Gerichte ungemein erschwert, wo nicht 
vereitelt würde. Allerdings setzt Sanchez dabei den Fall, 
daß die Frage des Richters ungerechtfertigt sei; aber er 
überläßt die Beurteilung dieses Umstandes dem zu Ver- 
hörenden! Aus der weitern Ausführung dieses jesuitischen 
Gelehrten geht übrigens klar hervor, daß unter einem Richter, 
welcher ungerechtfertigte Fragen stellt, ein solcher zu ver- 
stehen ist, welcher seiner Ansichten wegen bei der Kirche 
nicht in Gunst steht! Aber auch ohne diesen Umstand darf 
man nach Sanchez eine Handlung leugnen, wenn man 
hofft, hierdurch seine Freisprechung zu erzielen oder seinen 
Vorteil zu wahren oder auch irgend welchen Vorbehalt in 
Gedanken dabei macht (s. oben S. 65), so daß im Grunde 
jedes Leugnen als erlaubt erscheint. Unter diesen Um- 
ständen wird auch Meineid ausdrücklich gestattet (Sanchez, 
opus morale in praec. Decal. Lib. III, Cap. 6, No. 23—46)! 
Gury verbietet zwar im Allgemeinen jede Lüge, erlaubt 
aber, „aus wichtiger Ursache“ einen geistigen Vorbehalt und 
zweideutige Worte zu gebrauchen, und beruft sich auf den 
heiligen Alfons von Liguori, welcher zwar kein Jesuit, 
aber der Gründer eines der Gesellschaft Jesu befreundeten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.