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schaftliche Thätigkeit notwendig beeinträchtigen müssen, kann
von einer Freiheit und Unabhängigkeit der letztern schon
darum keine Rede sein, weil der ganze Studienplan, gleich
den Exerzitien, darauf berechnet ist, aus den Schülern blind-
gehorsame und ergebene Werkzeuge des Ordens, auf alles
eigene Denken und Urteilen von vorn herein verzichtende
Maschinen zu bilden. Die sämtlichen Lehrfächer sind in den
Fesseln der mittelalterlichen Scholastik befangen, und die
ganze Bewegung des Humanismus wird als nicht dagewesen
betrachtet. Alles ist nur eine mechanische Abrichtung; in
den Geist des römischen Altertums (vom griechischen ganz
zu schweigen) wird nicht eingedrungen und dessen Träger,
die Klassiker, den Schülern nur durch sogenannte kastrierte
Ausgaben bekannt gemacht, aus denen Alles entfernt ist,
was dem jefsuitischen Zwecke irgendwie schaden könnte. Da-
gegen wird durch Anstandslehre, Tanzstunden, allerlei kör-
perliche Ubungen und theatralische Vorstellungen das Pub-
likum geblendet und ihm glauben gemacht, der Unterricht
sei ein aufgeklärter, während diese Fertigkeiten bloß dazu
dienen, den Jesuiten unter Umständen auch die Rolle eines
Weltmannes spielen zu lassen, da er alle möglichen Masken
vornehmen muß, je nachdem die Zwecke des Ordens es ver-
langen. Damit übrigens die Schüler der Jesuiten sich daran
gewöhnen, ganz dem Orden und dem Orden allein anzuge-
hören, wird die Liebe zu den Eltern und Verwandten soyste-
matisch in ihnen ertötet. Ihr Glaubenseifer wurde ferner
in früheren, dunkleren Zeiten dadurch angefeuert, daß es
ihnen erlaubt war, Hinrichtungen von Ketzern beizuwohnen,
— anderen nicht. „Nach siebenjährigem Studium, sagt Graf
Hoensbroech (S. 33 f.), beschließt der junge Jesuit seine
Ausbildung, ausgerüstet mit aller philosophisch= theologischen
Spitzfindigkeit vergangener Jahrhunderte, den Kopf erfüllt
mit den Namen längst toter Systeme und ohne Einfluß
gebliebener Gelehrten des Mittelalters, aber in fast völliger