Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

108 Gesetz, betreffend die Verfassung des deutschen Reichs. Art. 17. 
der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Ver- 
antwortlichkeit übernimmt.") 
1. Die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze steht ach 
der Natur der Sache und im Hinblick auf die Bestimmung in Art. 
Abs. II der Verf. nicht im Belieben des Dundesprüsidiuns. 
2. Vergleiche hiezu oben Art. 4 Note 2. 
3. Ueber das Anordnungsrecht des Kaisers siehe oben die erste 
Abtheilung § 5 Ziff. II Nr. 12 Seite 3 
4. Bhziglich der Jnnn des Reichskanzlers siehe ben 
die erste Abtheilung § 6 Ziff. V Nr. 6 Seite 36, dann 8 9 Ziff. 1 
Ueber die Verantworllichtet. des Reichskanzlers, wolche auf Antrag 
des konstituirenden Reichstags von 1867 in die norddeutsche Bundesver- 
fassung eingeschaltet wurde, fanden in jenem Reichstage ausführliche Er- 
örterungen stalt, aus welchen namentlich die Neden des Fürsten von Bis- 
marck in den Sitzungen vom 26. und 27. März 1867 (Stenogr. Ber. 
S. 376 u. 377, 388 u. 393) hervorzuheben sind. Derselbe verbreitete 
sich hiebei insbesondere über das Verhältniß des Bundeskanzlers zu dem 
preußischen Ministerium und führte aus, daß der erstere naturgemäß in 
beständiger Fühlung mit dem letzteren bleiben müsse und daß eine dauernde 
Disharmonie zwischen beiden in Bezug auf wichtige Fragen nicht wohl 
denkbar sei. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet seien die preußi- 
schen Minister immerhin dem preußischen Landtage für gewisse mit Zu- 
stimmung Preußens zu Stande gekommene Bundesbeschlüsse verantwortlich; 
würde dagegen Preußen nicht bloß im Bundesralhe sondern auch 
im Reichstage majorisirt, so würde das preußische Ministerium „von 
dieser Verantwortung gewissermaßen losgesprochen sein durch die preußi- 
schen Reichstagsabgeordneten, die ihrerseits die Majorität für das betreffende 
Geseh hergestellt hatlen;" ähnlich verhalte es sich auch mit der Verant- 
wortlichleit der anderen Landesministerien (Stenog. Ber. 1867 S. 393). 
Ferner wurde, nachdem bereits von einer Seite im constituirenden 
Reichstage von 1867 die Schaffung eines „Bundesministeriums“ ohne Er- 
folg beantragt war (Sten. Ber. 1867 S. 404, 405 u. 704 und An- 
lage hiezu Nr. 15 S. 38 u. 39 und Nr. 23 Ziff. II S. 47), in der 
20. Sitzung des norddeulschen Reichskags von 1869 der Antrag: „den 
Bundeskanzler aufzufordern, für die zur Kompetenz des Bundes gehörigen 
Angelegenheiten eine geordnete Aufsicht und Verwaltung durch verant- 
wortliche Bundesministerien, namentlich für auswärtige Angelegen- 
heiten, Finanzen, Krieg, Marine, Handel und Verkehrswesen, im Wege 
der Gesetzgebung herbeizuführen"“ — durchberathen und angenommen 
(stenogr. Ber. S. 389 bis 413); ein deßfallsiger Gesetzesvorschlag er- 
folgte jedoch aus den vom Bundeskanzler damals in ausführlicher Rede 
(stenogr. Ber. S. 401—405) entwickelten Gründen nicht.
	        
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