Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

114 Gesey, betreffend die Verfassung des deutschen Reichs. Art. 24, 25 u. 26. 
den Reichstag übermittelten Petitionen zu berücksichtigen hat, ist in der 
Verfassung nicht direkt bestimmt. 
b. Als selbstverständlich wurde im constituirenden Reichstage erachtet, 
daß dem Reichstage das Recht zukomme, Adressen zu erlassen und 
Interpellationen zu stellen (Sten. Ber. 1867 S. 139); und es 
wurde wohl aus diesem Grunde ein deßfalls gestelltes ausdrückliches 
Amendement abgelehnt (Sten. Ver. 1867 S. 449); dagegen hat der 
Reichstag, wie aus den Verhandlungen von 1867 (Sten. Ber. S. 443 
bis 450) klar hervorgeht, nicht „das Rechk, Thatsachen durch Ver- 
nehmung von Zeugen, Sachverständigen und anderen Auskunftspersonen 
zu erheben und in gleicher Weise Kommissionen mit der Erhebung von 
Thatsachen zu beaustragen."“ 
Interpellationen müssen nach § 30 der Geschäftsordnung be- 
stimmt sermn und von 30 Mitgliddern unterzeichnet sein. 
An die Beantwortung der Interpellationen oder deren Ablehnung 
darf sich eine sofortige Besprechung des Gegenstandes anschließen, wenn 
mindestens 50 Mitglieder darauf antragen. Die Stellung eines Antrags 
bei dieser Besprechung ist unzulässig (§ 31 d. G.O.). 
. Ein Beschwerderecht des Reichstags ergibt sich aus der Bestimmung 
über die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers (Art. 17 der Verf.). 
Art. 24. 
Die Legislaturperiode!) des Reichstages dauert drei Jahre. 
Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Be- 
schlus des Bundesrathes unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. 
1. Eine Verlängerung der Legislaturperiode für einen bestimmten 
Fall ist im Wege der Verfassungsänderung zulässig und im Jahre 1870 
erfolgt; ck. Stenogr. Ber. über die I. außerordentliche Session von 1870 
S. 18 ff. und 22, dann die Stenogr. Ber. der II. außerordentlichen 
Session S. 74. 
Art. 25. 
Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb 
eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und 
innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung 
der Reichstag versammelt werden. 
Art. 26. 
Ohne Zustimmung des Neichstages darf die Vertagung des-
	        
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