8 3. Nechtliche Stellung der Bundesglieder; Sonderrechte. 13
auch der sogenannte Gothaer Vertlrag, welcher das zwecklose Herum-
schieben der Heimatlosen verhindert, sowie die Uebereinkunft bezüglich
der Unterstützung hilfsbedürftiger gegenseiliger Unterthanen ausdrücklich
aufrecht erhalten wurden, so ist ein entsprechendes Band zwischen Bayern
und dem übrigen Deutschland wenn auch in anderer Form zweifel-
los gesichert, und es werden sich kaum praktische Inconvenienzen aus
dem in Rede stehenden bayerischen Vorbehalte ergeben"). Abgesehen
hievon ist die Frage, auf welche Art die öffentliche Armennnterstützungs-
pflicht am zweckmäßigsten zu regeln sei, zur Zeit weder in der Theorie
noch in der Praris definitiv festgestellt und dürfie daher in nicht zu
ferner Zeit im deutschen Reichstage wiederholt auftauchen, zumal das
Unierstützungswohnsitzgesetz auch in Norddeutschland vom Standpunkte
der Gemeindeinteressen manchen ernsten Bedenken begegnet. Kommt
hiebei elwas wirklich Probehaltiges zu Stande, dann werden sich hof-
fentlich auch die bayerischen Gesetzgebungsfaktoren einer besseren Ein-
sicht nicht verschließen und auf einen Vorbehalt verzichten, der wenig-
stens im Momente von vielen Unbefangenen für Vayern als werthvoll,
für das Reich aber als unschädlich erachtet wird. Jedenfalls kann ge-
trost behauptet werden, daß der fragliche Vorbehalt weder einer illibe-
ralen noch einer undeulschen Strömung, sondern lediglich sachlichen
Erwägungen seine Entstehung verdankt, und daß insbesondere die den
übrigen Bundesstaaten Angehörigen, welche sich in Bayern aufhalten,
in keiner Beziehung schlechter gestellt sind, als die bayerischen Staats-
angehörigen. — Mancher lebhafte Vorwurf') gegen Bayern wurde
*) Bundesangehörige, welche sich in Bayern aufhalten und dorl die Auf-
nahme nachsuchen, sind in gewisser Beziehung besser gestellt als im ganzen übri-
gen Deutschland. Nach dem norddeutschen Unlerstützungswohnsitzgesetze kann nem-
lich ein fester, vor Ausweisung schützender Wohnsih immer erst nach zwei Jahren
erworben werden; in Vayern ist es nicht nur möglich, die Heimat soforl nach dem
Anzuge zu erlangen, sondern es erhäll jeder Staalsangehörige, der keine Heimat
erwirbt, unentgeltlich eine sogen. provisorische Heimat, auf Grund deren er vor
Ausweisung aus der betressenden Gemeinde geschüht ist und überdieß im Bedürf-
nißfalle vom Staate ösfentliche Armenunlerstützung empfängt. — Dieses Verhäll-
niß wurde in den Reden und Abhandlungen über die bayerischen Vorbehalle ganz
unberücksichtigt gelassen.
*) Wenn Dr. Auerbach in seiner Schrift „das neue deutsche Reich und
seine Verfassung“ S. 78 sagt: „das Freizügigkeilsrecht des Bundes findet auf
Bayern keine Anwendung“, so ist das gewiß unrichtig. Die Erlangung eines