Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Gesetz über die Freizlgigkeit. § 3. 229 
1. Personen, welche auf Grund richterlicher Verfügung unter Cu- 
ratel stehen, 
2. Dienstboten, Gewerbsgehilfen und Haussöhne, welche im Brode 
des Dienstherrn oder Familienhauptes stehen und keine eigene Wohnung 
haben.“ 
Da diese Bestimmung zunächst nur in Bezug auf den Hei- 
mats= und Bürgerrechtserwerb gegeben ist, so kann sie für die 
Inanspruchnahme und Beurtheilung der im Freizügigkeitsgesetze gewähr= 
leistcten Rechte nicht maßgebend sein und es kommt daher bei Beurtheil- 
ung der Selbstständigkeit im Sinne des § 3 des Freizügigkeitsge- 
setzes nicht darauf an, ob der Betreffende in fremdem Brode steht und 
eine eigene Wohnung hat, sondern lediglich darauf, ob und in wie weit 
er der Gewalt eines Dritten unterworfen und wie weit dieser Dritte ge- 
sehlich befugt ist, ihn in der freien Disposilion über seinen Aufenthalt zu 
beschränken. 
Die Bestimmungen in Art. 45 Ziff. 9 u. 10 des bayr. Heimat- 
gesetzes sind durch § 3 des Freizügigkeitsgesehzes surrogirt. 
§ 3. 
Insoweit bestrafte!) Personen nach den Landesgesetzen Auf- 
enthaltsbeschränkungen durch die Polizeibehörde:) unterworfen 
werden können, behält es dabei sein Bewenden.,) 
Solchen Personen, welche derarligen Aufenthaltsbeschränkungen 
in einem Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem Bun- 
desstaate innerhalb der letzten zwölf Monate wegen wie- 
derholten Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei be- 
straft worden sind, kann der Aufenthalt!) in jedem anderens) 
Bundesstaate von der Landespolizeibehördes) verweigert werden.) 
Die besonderen Gesetze und Privilegien einzelner Orkschaften 
und Bezirke, welche Aufenthallsbeschränkungen gestatten, werden 
hiermit aufgehoben. 
1. Das Gesetz hat offenbar zwei Kategorien von Fällen im Auge, 
nämlich 
a. diejenigen Fälle, in denen die Polizeibehörden durch richterliches 
Urtheil ermächligt werden, gegen eine bestimmte Person Aufenthaltsbe- 
schränkungen vorzukehren, in specic die Fälle der Polizeiaufsicht und 
Landesverweisung, und 
b. diejenigen Fälle, in welchen die Thatsache der Bestrafung an 
sich und ohne weiteren Nichterspruch genügt, polizeiliche Aufenthaltsbe- 
schränkungen gegen den Bestraften eintreten zu lassen.
	        
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