Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Geseh, betreffend die Gleichberechtigung der Konsessioneu. 247 
Gesetz, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in 
bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung. 
Vom 3. Juli 1869 (Bundesgesetzbl. S. 292). 
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. 
verordnen im Namen des norddeutschen Bundes, nach 
erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des 
Reichstages, was folgt: 
Einziger Artikel. 
Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen 
Bekenninisses hergeleiteten Beschränkungen!) der bürgerlichen) 
und staatsbürgerlichen Rechte werden hiedurch aufgehoben. Ins- 
besonderes) soll die Befähigung zur Theilnahme an der Gemeinde- 
und Landesvertrelung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter") 
vom religiösen Bekenntniß unabhängig sein. 
1. Indem das Gesetz nur die aus der Verschiedenheit des Religions- 
bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen, d. h. die mit den modernen 
Anschauungen unvereinbaren Zurücksetzungen der Bekenner oder Nichtbekenner 
dieser oder jener Religion aufhebt, will es offenbar nicht in diejenigen 
Verhällnisse einzelner Religionsgesellschaften eingreifen, welche zwar ver- 
schieden von denen anderer Religionsgesellschaften geordnet sind, aber keine 
rechtliche Benachtheiligung der Angehörigen der einen oder anderen 
Gesellschaft in bürgerlicher oder staatsbürgerlicher Hinsicht in- 
volviren. Hieher gehören z. B. die durch die Civilgesetze einzelner Staaten 
anerkannten kirchenrechtlichen Ehehindernisse, ferner die innerhalb einer 
Religionsgesellschaft etwa bestehenden besonderen Bestimmungen über das 
eheliche Güterrecht, das Erbrecht und dergl. endlich diejenigen Normen, 
welche das Verhältniß einer Religionsgesellschaft zum Staate betreffen, so- 
ferne dieselben nicht zugleich eine Entziehung von allgemeinen bürgerlichen 
oder staalsbürgerlichen Rechten enthalten. Das Gesetz sindet sonach auf 
diejenigen Einrichtungen oder Vorschriften, welche sich auf den Modus der 
Religionsausübung oder die Stellung einer Religionsgesellschaft als solcher 
im Staate beziehen, keine Amwendung. 
Dieß geht nicht bloß aus der Entstehungsgeschichte und dem Wort- 
laute des Gesetzes, welcher nur von den bürgerlichen und staatsbürgerlichen 
Rechten der einzelnen Individuen, nicht aber von den Verhälknissen 
der Religionsgesellschaften handelt, hervor, sondern auch aus den 
Verhandlungen des deutschen Reichstags (Stenog. Ber. 1871 S. 104 f., 
u. Anlagen Nr. 12 S. 62), wo die Anträge auf die Einschallung von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.