Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

der Bundes= und Staatsangehörigkeit. 261 
bezichungsweise Aufnahme-Urkunde, sofern nicht ein entgegen- 
stehender Vorbehalt in der Bestallung') ausgedrückt wird. 
Ist die Anstellung eines Ausländers im Bundesdienst erfolgt, 
so erwirbt der Angestellte die Staatsangehörigkeit in demjenigen 
Bundesstaale, in welchem er seinen dienstlichen Wohnsitz hat..) 
1. a. Während bisher in Bayern die Anstellung im öffentlichen 
Dienste regelmäßig durch die vorgängige Erwerbung des bayr. Jndigenats 
bedingt war, zieht nunmehr die Anstellung den Erwerb des Indigenats 
und zwar ips# jure nach sich; die Bestimmungen in § 4 Tit. IV der 
bayr. Verfassungsurkunde und in 8 7 der I. Verfassungsbeilage sind 
demnach modifizirt, und es findet namentlich das bisher bei Berusungen 
von Universitätsprofessoren und dergl. übliche Verfahren der besonderen 
Indigenatsverleihung nicht mehr statt. 
b. In § 9 ist zwischen Vundesangehörigen und Ausländern kein 
Unterschied gemacht. 
2. Nur die von der Landesregierung selbst oder einer höheren 
Verwallungsbehörde, in Bayern von den Kreisregierungen oder einer den- 
selben mindestens cvordinirten Sielle, vollzogenen Bestallungen und Be- 
stäligungen haben die in § 9 bezeichnete Wirkung. 
3. Der Ausdruck „Bestallung“ bedeutet offenbar die präsumtiv 
dauernde Berufung zu einem Staals-, Kirchen-, Schul= oder Gemeinde- 
amte; die vorübergehende, zeitlich begrenzte oder bloß widerrufliche Ver- 
wendung im öffentlichen Dienste ist keine Bestallung. In Bayern werden 
nur diejenigen öffentlichen Anstellungen das Indigenat nach sich ziehen, 
mit denen sofort oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit das Dienstes- 
definitivum in der Weise verbunden ist, daß das Amt nur durch Nichterspruch 
entzogen werden kann; hat eine Anstellung diesen Charakter, so bewirkt 
sie die Staatsangehörigkeil sosort vom Tage der Aushändigung des Be- 
stallungsrescriptes an, wenn auch das Dienstesdesinilivum erst später eintritt. 
4. Ein besonderes Aufnahme= oder Naturalisationsverfahren findet 
nicht statt, sondern die Anstellungsurkunde gilt einfach als Aufnahme= oder 
Nakuralisationsurkunde. 
5. Durch diesen Vorbehalt sind die Landesregierungen in der Lage, 
diejenigen Anstellungen entweder speziell oder generell näher zu bezeichnen, 
mit denen die Erwerbung der Staatsangehörigkeit verbunden sein soll. 
6. Wird ein Bundesangehöriger im Reichsdienste angestellt, so 
verbleibt ihm seine bisherige Staalsangehörigkeit, soferne nicht zugleich 
eine Verlegung des dienstlichen Wohnsitzes in einen anderen Bundesstaat 
erfolgt.
	        
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