Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

26 Grundzlige des Verfassungsrechts des deutschen Reichs. 
Verfassung nicht statuirt und läßt sich auch aus seiner Stellung nicht 
ableiten. Die einzelnen Bundesrathsbevollmächtigten sind wegen ihrer 
Abstimmung nur ihren vorgesetzten Regierungen verantwortlich; eine 
Verantwortlichkeit der letzteren gegenüber den Landesvertretungen wegen 
ihrer Thätigkeit im Bundesrathe ist, soferne nicht nach dem speciellen 
Landesrechte die Instruktionsertheilung der Mitwirkung der Landesver- 
tretung bedarf, kaum zu begründen) 
IV. 1) Die Geschäfte des Bundesraths werden nach 
Maßgabe der verfassungsmäßigen Bestimmungen und einer besonders 
aufgestellten — aber nicht veröffentlichten Geschäftsor dnung zunächst 
in den Bundesrathsausschüssen vorbereitet und sodann in den Plenar- 
sitzungen erledigt. 
2) Nach Art. 8 Abs. I der Verf. bildet der Bundesrath aus 
seiner Mitte sieben dauernde Ausschüsse, wozu nach Abs. III ibid. noch 
der Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten kommt. Außerdem 
können für einzelne Geschäftszweige außerordentliche Ausschüsse gebildet 
werden. — In den sieben ordentlichen Ausschüssen müssen außer dem 
Präsidium d. h. Preußen mindestens vier Bundesstaaten vertreten 
sein.“) Die letzteren Mitglieder werden in der Regel durch Wahl 
bestimmt; eine Ausnahme findet statt bei dem Ausschusse für das Land- 
heer und die Festungen, dann für das Seewesen; in dem erstern hat 
Bayern und Württemberg einen ständigen Siß, während die übrigen 
Mitglieder beider Ausschüsse vom Kaiser ernannt werden. Eine 
*) Anders gestallet sich die Frage der rein politischen Verantwortlichkeit. 
Wenn in einem Staate das constilulionelle Princip derart vorwallet, daß die Re- 
gierung nach einem bestimmten, von der Mehrheit der Volksvertretung gebilligten 
Programme handelt, so wird sie sich auch bei den Abstimmungen im Bundes- 
rathe innerhalb dieses Programmes zu bewegen haben; weicht sie hievon prinzi- 
piell ab, so riskirt sie eben einen Conflikt mit der Volksvertretung; eine liberale 
Regierung wird also z. B. nicht für einen reaktionären Bundesraths-Antrag 
stimmen, wenn sie nicht auf das Vertrauen der liberalen Volksvertretung für die 
Folge verzichten will. Vgl. Rönne, Staalsrecht der preußischen Monarchie Bd. 1 
S. 600 ff.; vergl. serner die Reden des Fürsten v. Bismarck im konstiluirenden 
Reichstage von 1867 Sien. Ber. S. 136 ff., 388 und 429 if., dann im nord- 
deulschen Reichslage Sten. Ver. 1869 S. 401 ff., endlich im deulschen Reichstage 
Sten. Ber. 1871 S. 95 ff. 
*“) Gegenwärlig ist die Milgliederzahl in fast allen Ausschllssen eine größere.
	        
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