Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

§ 4. Der Bundesrath. 27 
fernere Anomalie besteht hinsichtlich des diplomatischen Ausschusses; dieser 
wird von den Vertretern der Königreiche Bayern, Sachsen und Würt- 
temberg und zwei gewählten Mitgliedern gebildet. — In den Aus- 
schüssen führt jeder Bundesstaat nur Eine Sltimme. Die Thätigkeit 
der Ausschüsse ist stets eine vorbereitende oder begutachkende, während 
die definilive Entscheidung immer von dem Bundesrathe oder in ein- 
zelnen Fällen (vgl. z. B. oben die Nr. 11 und 12 der vorstehenden 
Ziff. III) vom Kaiser getrossen wird. Hieraus folgt, daß der letzte 
Absatz des Art. 7 der Verfassung auf die Ausschüsse keine Anwendung 
findet. Die Ausschuß-Gutachten werden in der Regel schriftlich erstaltet 
und gedruckt zur Kenntniß der Bundesrathsbevollmächtigten gebracht. 
3) Die Plenarsitzungen des Bundesraths werden vom 
Reichskanzler anberaumt und geleitet. Der Reichskanzler kann sich nach 
Art. 15 der Verf. hiebei durch jedes andere Mitglied des Bundesraths 
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen; bei derartigen Sub- 
stitutionen ist jedoch Bayern gemäß Ziff. IX des Schlußprotokolls vom 
23. November 1870 in erster Linie zu berücksichtigen. — Für die 
Ordnung der Sitze und Stimmabgabe in den Plenarsitzungen ist die 
in Art. 6 der Verf. ausgestellte Reihenfolge maßgebend. Es ist den 
einzelnen Bundesslaaten durch die Verfassung nicht verboten, ihre Stim- 
men in Verhinderungsfällen durch den Bundesrathsbevollmächtigten 
eines anderen Staates abgeben zu lassen; eine solche Substitution 
widerspricht jedoch dem Principe des lebendigen Meinungsaustausches 
und wird daher nur die Ausnahme bilden. 
Zu einem Beschlusse des Bundesraths genügt die einfache Mehr- 
heit der bei der Beschlußfassung mitwirkenden Stimmen; bei Stimmen= 
gleichheit giebt die Präsidialstimme den Ausschlag (Art. 7 der Verf.). 
Eine Ausnahme von dieser Regel findet statt: 
a. auf Grund des Art. 78 der Verf., wonach Verfassungs- 
änderungen, wenn sie 14 Stimmen im Bundesrathe gegen sich haben, 
als abgelehnt gelken, und Sonderrechte einzelner Staaten ohne deren 
Zustimmung überhaupt nicht beseitigt werden können; 
b. auf Grund der Art. 5, 24 und 37 der Verfassung; hienach 
erlangen Mehrheitsbeschlüsse des Bundesraths 
#u. über Gesetzesvorschläge, welche Aenderungen in den bestehenden 
Einrichtungen des Militärwesens und der Kriegsmarine herbeiführen,
	        
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