§ 4. Der Bundesrath. 27
fernere Anomalie besteht hinsichtlich des diplomatischen Ausschusses; dieser
wird von den Vertretern der Königreiche Bayern, Sachsen und Würt-
temberg und zwei gewählten Mitgliedern gebildet. — In den Aus-
schüssen führt jeder Bundesstaat nur Eine Sltimme. Die Thätigkeit
der Ausschüsse ist stets eine vorbereitende oder begutachkende, während
die definilive Entscheidung immer von dem Bundesrathe oder in ein-
zelnen Fällen (vgl. z. B. oben die Nr. 11 und 12 der vorstehenden
Ziff. III) vom Kaiser getrossen wird. Hieraus folgt, daß der letzte
Absatz des Art. 7 der Verfassung auf die Ausschüsse keine Anwendung
findet. Die Ausschuß-Gutachten werden in der Regel schriftlich erstaltet
und gedruckt zur Kenntniß der Bundesrathsbevollmächtigten gebracht.
3) Die Plenarsitzungen des Bundesraths werden vom
Reichskanzler anberaumt und geleitet. Der Reichskanzler kann sich nach
Art. 15 der Verf. hiebei durch jedes andere Mitglied des Bundesraths
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen; bei derartigen Sub-
stitutionen ist jedoch Bayern gemäß Ziff. IX des Schlußprotokolls vom
23. November 1870 in erster Linie zu berücksichtigen. — Für die
Ordnung der Sitze und Stimmabgabe in den Plenarsitzungen ist die
in Art. 6 der Verf. ausgestellte Reihenfolge maßgebend. Es ist den
einzelnen Bundesslaaten durch die Verfassung nicht verboten, ihre Stim-
men in Verhinderungsfällen durch den Bundesrathsbevollmächtigten
eines anderen Staates abgeben zu lassen; eine solche Substitution
widerspricht jedoch dem Principe des lebendigen Meinungsaustausches
und wird daher nur die Ausnahme bilden.
Zu einem Beschlusse des Bundesraths genügt die einfache Mehr-
heit der bei der Beschlußfassung mitwirkenden Stimmen; bei Stimmen=
gleichheit giebt die Präsidialstimme den Ausschlag (Art. 7 der Verf.).
Eine Ausnahme von dieser Regel findet statt:
a. auf Grund des Art. 78 der Verf., wonach Verfassungs-
änderungen, wenn sie 14 Stimmen im Bundesrathe gegen sich haben,
als abgelehnt gelken, und Sonderrechte einzelner Staaten ohne deren
Zustimmung überhaupt nicht beseitigt werden können;
b. auf Grund der Art. 5, 24 und 37 der Verfassung; hienach
erlangen Mehrheitsbeschlüsse des Bundesraths
#u. über Gesetzesvorschläge, welche Aenderungen in den bestehenden
Einrichtungen des Militärwesens und der Kriegsmarine herbeiführen,