Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

8 5. Bundespräsidium; deutscher Kaiser. 29 
II. Im Einzelnen sind dem Bundespräsidium durch die Ver- 
fassung folgende Rechte zugewiesen: 
A. 1) Nach Art. 11 der Verf. hat der Kaiser das Reich völker- 
rechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und 
Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden 
Staaten einzugehen,) Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen. Zu 
Kriegserklärungen ist, wenn nicht ein Angriff auf Bundesgebiet erfolgt, 
die Zustimmung des Vundesraths nothwendig. Verträge, welche einen 
Gegenstand der Gesetzgebung betreffen, also gegebenen Falls auch Friedens- 
schlüsse, sind nur mit Zustimmung des Bundesraths und NReichstags 
für das Reich verbindlich. 
2) Das gesammte Konsulatswesen des deutschen Reichs steht 
unter Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln nach Vernehmung des 
Bundesrathsausschusses für Handel und Verkehr anstellt (Art. 56 der 
Verfassung). 
B. 3) Wenn Bundesglieder ihren Verpflichtungen nicht nach- 
kommen, so vollzieht der Kaiser auf Beschluß des Bundesraths die Exe- 
kution (Art. 19 der Verf.). 
4) Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem 
Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand) 
erklären (Art. 68 der Verf.). 
C. 5) Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrath und den Reichs- 
tag zu berufen, zu eröffnen, zu vertkagen und zu schließen (Art. 12 
der Verf.); die Berufung des Bundesraths muß jedoch geschehen, wenn 
ein Drittheil der Stimmenzahl es verlangt (Art. 14 der Verf.) oder 
der Reichstag zusammentreten soll; die Auflösung des Reichstags kann 
während der Legislaturperiode nur auf Grund eines Bundesraths- 
beschlusses erfolgen. Ohne Zustimmnng des Reichstags darf die Ver- 
tagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während 
derselben Session nicht wiederholt werden (Art. 25 und 26 der Verf.). 
*) Vergl. auch Ark. 50 der Verf. Nach Ziff. XI des bayrischen Schluß- 
protokolls wurde allseitig anerkannt, daß bei dem Abschlusse von Post= und Tele- 
graphen-Verträgen mit außerdeutschen Staalen zur Wahrung der besonderen 
Landesinteressen Vertreier der an die betreffenden außerdeutschen Staaten angren- 
zenden Bundesstaaten zugezogen werden sollen. 
*) Eine Ausnahme sindet dermalen noch hinsichtlich Bayerns statt.
	        
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