B.
Verfassungsurkunde des dentschen Reichs.
Vorbemerkung: J. Die vorliegende Verfassungsurkunde, deren
Enistehung bereits oben in der ersten Abtheilung § 1 und in den Vor-
bemerkungen zu dem Promulgationsgesetze (Seite 63 ff.) näher dargelegt
wurde, hat sich aus der norddeutschen Bundesverfassung ent-
wickelt, indem die letztere bei den Vertragsabschlüssen mit den süd-
deutschen Staaten zum Ausgangspunkte genommen') und nur soweit
abgeändert wurde, als es den Kontrahenten nothwendig oder räthlich
erschien. Diese Aenderungen charakterisiren sich, wie der Präsident des
Bundeskanzleramtes in seiner Nede vom 5. Dezember 1870 (Stenogr.
Ver. des nordd. Reichstags 1870, II. außerordentl. Session Seile 69)
hervorhob, „in der Hauptsache darin, daß der föderative Charakter
der Bundesverfassung verstärkt ist.“
Sie betreffen außer einzelnen minder wichtigen Dingen namenllich
die Schaffung eines Ausschusses für auswärlige Angelegenheiten, dann
den Einfluß des Bundesraths auf Kriegserklärungen und dessen Recht,
die Execution gegen renitente Bundesglieder anzuordnen, endlich ver-
schiedenen Ausnahmen zu Gunsten der neu beigetretenen Staaten,
nemlich zu Gunsten Bayerns, Württembergs und Badens in Betreff
der Bier= und Branntweinsteuer, zu Gunsten Bayerns und Würliem-
bergs in Bezug auf die Post= und Telegraphenverwallung sowie auf
das Militärwesen und zu Gunsten Bayerns allein bezüglich einiger
Gesetzgebungsmaterien.“)
II. Ueber die Entstehung der norddeutschen Bundesver-
fassung, welche in Zweifelsfällen als ein wichtiger Auslegungsbehelf
zu dienen haben wird, ist Folgendes zu bemerken:
*) Der Eingang der Ziff. II des bayrischen Vertrages lautet: „die Ver-
fassung des deutschen Bundes ist die des bisherigen norddeutschen Vundes, jedoch
mil folgenden Abänderungen.“
*“) Vergl. hiezu oben Abtheilung 1 § 3 Ziff. VII Seite 11 ff.