Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

8 10. Einfluß des Vundesrechtes auf das Landesstaatsrecht. 47 
Glaubensbekenntnisses auf die Fähigkeit zur Ausübung bürgerlicher 
oder slaatsbürgerlicher Rechte sowie zur Bekleidung öffentlicher Aemter 
durch Reichsgesetz (Ges. betreffend die Gleichberechtigung der Konfessio- 
neu r2c. vom 3. Juli 1869) beseitigt ist, indem ferner kraft der Reichs- 
gesetzgebung jedem Bundesangehörigen das Recht zusteht, ohne Reiselegiti- 
mation zu reisen, sich zu verehelichen und allenthalben im Neiche Aufenthalt zu 
nehmen, Grundbesitz zu erwerben und Handel und Gewerbe zu treiben, 
und indem endlich die frreiheitswidrige Bestimmungen über die Schuld- 
haft und die Beschlagnahme des Dienst= und Arbeitslohns durch Reichs- 
gesetze größtentheils aufgehoben wurden. (Paßges. v. 12. Olt. 1867, 
Freizügigkeitsges. vom 1. Nov. 1867, Gesetz über die Aufhebung der 
polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung vom 4. Mai 1868; 
Gesetz betreffend die Aufhebung der Schuldhaft vom 29. Mai 1868, 
Gesetz, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits= und Dienstlohns vom 
21. Juni 1868 und Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869). 
In § 5 des Entwurfs eines Gesetzes über das Postwesen des 
Reichs von 187 1 (Anlagen zu den stenogr. Ver. des Reichstags Nr. 87) 
findet sich die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses ausdrücklich an- 
erkannt. 
Gegen die Doppelbesteuerung derjenigen Bundesangehörigen, welche 
sich außerhalb ihres Heimatstaates im Reiche aufhalten, ist durch Reichs- 
gesetz vom 13. Mai 1870 Vorsorge getroffen. Das Recht auszu- 
wandern kann nach dem Reichsgesetze über die Erwerbung und den 
Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 
keinem Bundesangehörigen, welcher seiner Dienstpflicht in der akkiven 
Armee genügt hat, durch die Landesbehörden entzogen werden; zugleich 
ist den Deutschen im Auslande der Abschluß einer giltigen Ehe vor 
den Bundeskonsuln ermöglicht (Ges. vom 4. Mai 1870). 
Die Presse, dann das Vereins= und Versammlungsrecht sind 
zwar Gegenstand der Reichsgesetzgebung, aber bisher von Reichswegen 
noch nicht geregelt. In § 12 des deutschen Strafgesetzbuches findet 
sich jedoch die auf die Presse bezügliche Bestimmung, daß „wahrheits- 
getreue Berichte über Verhandlungen eines Landtags oder einer Kam- 
mer eines zum deutschen Reiche gehörigen Staats von jeder Verant- 
wortlichkeit frei bleiben“. Deßgleichen ist in § 4 des Postgesetzes vom 
2. Nov. 1867 und in § 3 des neuesten Entwurfs eines Postgesetzes
	        
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