92 Gesetz, bekressend die Verfassung des deulschen Reichs. Art. 4.
Reichs oder wenigstens unter der obersten Leitung derselben, so wird das
Aufsichtsrecht des Kaisers in den Vordergrund treten; ist dagegen der
Vollzug von Reichsgesetzen den Einzelstaaten überlassen, so wird die Ab-
stellung wahrgenommener Mängel zunächst dem Bundesrathe obliegen.
Besonders betont ist das Aufsichtsrecht des Kaisers in Betreff der Zölle
und Verbrauchsstenern, der Post= und Telegraphenverwaltung, der Ma-
rine, des Konsulatswesens und der Militärangelegenheiten; vergl. hiezu
oben die erste Abtheilung § 3 Ziff. V und § 8 Ziff. II.
3. Das Reich hat von seiner Gesehgebungstefunts, wie aus den
solgenden Noten und den außerdem noch zu erwähnenden Gesetzen über
die Pensionen und Unterstützung der Angehörigen der vormals schleswig-
holsteinischen Armee vom 14. Juni 1868 und 3. März 1870, dann
dem Reichstagswahlgesetze vom 31. Mai 1869, dem Gesetze über die
Kautionen der Bundesbeamten vom 2. Juni 1869, und denu verschiedenen
Haushalts-, Anleihe= und Garantiegesetzen") hervorgeht, bereits einen um-
fassenden Gebrauch gemacht. Ueber die Faltoren der Reichsgeseßgebung,
daunn das Verhällniß der letzteren zur Landcsgesetzgebung, vergleiche oben
die Erörterungen in der ersten Abtheilung § 7 und die Bemerkungen zu
Art. 2 Note 2 ff. der Verfassung-
4. Gesetz über die Freizügigteit vom 1. November 1867, und
Gesetz über die Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870.
5. Gesetz über den Unterstüstzungswohnsitz vom 6. Juni 1870;
zur Zeit in Bayern, Würltemberg und Baden nicht eingeführt; ferner
Gesetz über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließ-
ung vom 4. Mai 1868, welches jedoch in Bayern nicht gilt; vergleiche
hiezu r Note 11.
6. Siehe das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der
Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 und das Gesetz
betreffend die Einführung norddeutscher Gesetze in Bayern vom 21. April
1871 89 und 12, worin § 1 Absatz 2, § 8 Absatz 3 und § 16
des ersteren Gesetzes für das ganze Reich außer Wirksamkeit gesetzt wur-
den; ferner das Geset über die Gleichberechtigung der Confessionen in
bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung vom 3. Juli 1869. —
Die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung in Bezug auf das Bundes-
staatsbürgerrecht ist unbestreitbar; was dagegen die Gesetzgebungsbesugniß
des Reiches hinsichtlich des Einzel staatsbürgerrechts betrifft, so wurde
in der auf Anregung des norddeutschen Reichstags verbesserten Ziff. II
des bayrischen Schlußprotokolls anerkannt: „daß unter der Gesetzgebungs-
befugniß über Staatsbürgerrecht nur das Recht verstanden werden soll,
die Bundes= und Staatsangehörigkeit zu regeln und den Grundsatz der
politischen Gleichberechtigung durchzuführen, daß sich im Uebrigen diese
*) Siehe die in der dritten Abtheilung Abschn. Idieser Schrift enthaltene Uebersicht.