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Die Treue gegen das Vaterland und die kirchlichen
Interessen.
Aber, wird gesagt, wenn wir auch verpflichtet sind, unsere
gerechte Sehnsucht, unser gerechtes Streben nach der Einheit
Deutschlands der Pflicht der Treue gegen unseren Landesherrn
zum Opfer zu bringen, so ist es doch etwas Anderes, wenn es
sich um das Interesse der Kirche handelt! Fordert dieses die Ver—
einigung von ganz Deutschland unter dasselbe staatsrechtliche
Band, so dürfen, so müssen wir diesem unserem höchsten Interesse
selbst das des engeren Vaterlandes opfern, diese Pflicht als eine
gegen Gott obliegende jener gegen den König vorsetzen, Treue
gegen die Kirche üben, selbst um den Preis der Untreue gegen
den König? Diese Behauptungen sind irrig, auf fal-
schen Folgerungen aus einem an sichrichtigen Vor-
dersatze beruhend und der Kirchenlehre, dem Kirchen-
gebote, geradezu widersprechend. Es ist richtig und wahr,
daß der Gehorsam gegen Gottes Gebote höchstes Gesetz; es geht
Gottes Gebot, weil Gottes Auctorität, über jedes menschliche
Recht. Es steht geschrieben: „Man soll Gott mehr gehorchen
als den Menschen“, und unser Herr sagt: „Liebet Gott über
Alles.“ Es ist weiter wahr, daß die Kirche an Christi Statt
regiert und daß wir ihr gehorchen müssen, wie Christo selbst. Aber
es ist nicht wahr, daß die Vollmacht der Kirche eine unbegrenzte
ist, sie hat vielmehr ein bestimmt umgrenztes selbstständiges Herr-
schergebiet, neben dem das eben so bestimmt in der Idee begrenzte
Herrschergebiet der weltlichen Obrigkeit liegt, und jeder von beiden
Auctoritäten gebührt nur in ihrem Kreise Gehorsam. Daher
sagt unser Herr: „Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser,
was des Kaisers ist.“ In geistlichen Dingen ist der Kirche, in
weltlichen dem Könige Treue und Gehorsam zu leisten. Wir
haben diese Fundamentallehre schon im Anfange dieser Schrift
aus mehreren kirchlichen und weltlichen Rechtsquellen dargelegt;