38
Wir sehen hieraus, daß die Verfassung vom 5. Dezember,
betreffs der Sicherstellung der Selbstständigkeit der Kirche, mit Aus-
nahme der Forderung sofortiger Aufhebung des Staatspatronates,
alle Begehren der zu Frankfurt zusammengetretenen katholischen
Abgeordneten erfüllt hat. Bei der Abstimmung in der frankfurter
Versammlung ward der katholische Antrag (Nr. 1) mit 357 gegen
99 Stimmen verworfen und ein Amendement des Dechanten
Kuenzer aus Konstanz angenommen:
„Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und
verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig,
bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate,
den Staatsgesetzen unterworfen.“
Der von Preußen ausgegangene Drei-Königs-Entwurf hat
den zweiten Satz „bleibt aber 2c.“ dessen die Kirche entwürdigende
und gefährdende Bedeutung wir oben dargethan, wieder entfernt.
Die Verhältnisse der Kirche zum Staate sind in Bayern
durch das Religionsedikt vom 29. Mai 1818, das der Verfassung
beigefügt ist, bestimmt. In welcher harten Weise dasselbe die Selbst-
ständigkeit der Kirche beschränkt, ergiebt sich theils aus der weiten
und tief in das Wesen der Kirche eingreifenden Ausdehnung der
„bürgerlichen Handlungen und Beziehungen“ und der „Gegenstände
gemischter Natur,“ „welche“ nach § 76 zwar „Lgeistlich sind, aber
die Religion nicht wesentlich betreffen,“ und zu denen 9 79 auch
„außerordentliche kirchliche Feierlichkeiten 976 „alle Anordnun-=
gen über den äußeren Gottesdienst, dessen Ort, Zeit, Zahl 2c.
„Bestimmungen über geistliche Bildungs-, Verpflegungs= und Straf-
anstalten“ rechnet, theils in den dem Regenten auch in reingeistli-
chen Sachen gegebenen Aufsichtsrechten, dem Recursu ab abusu,
dem Rechte des Placet, dem Rechte Kirchenversammlungen auszu-
schreiben u. s. w. Wie streng diese Staatsrechte geübt wurden,
ist Niemand unbekannt, welcher die innere Geschichte Bayerns kennt;
in dieser Beziehung hat kein Unterschied zwischen der ausgeklärt-
despotischen Verwaltung von Montgelas und der des sogenann-
ten katholischen Ministeriums Abel stattgefunden. Wer erinnert