Full text: Bismarcks Staatsrecht.

103 
  
Am liebsten hätte er einen Antrag gestellt, die Bundesverfassung 
einer Durchsicht zu unterziehen. Er begnügte sich indes da= 
mit, gemeinsam mit Twesten einen Antrag einzubringen, der 
bezweckte, der Kompliziertheit des Bundesmechanismus dadurch 
abzuhelfen, daß man ihn noch verwickelter machte. Der be= 
kannte Antrag Münster=Twesten (13. März 1869) lautete, den 
Bundeskanzler aufzufordern, „für die zur Kompetenz des Bundes 
gehörigen Angelegenheiten eine geordnete Aufsicht und Verwaltung 
durch verantwortliche Bundesministerien, namentlich für aus= 
wärtige Angelegenheiten, Finanzen, Krieg, Marine, Handel und 
Verkehrswesen im Wege der Gesetzgebung herbeizuführen.“ Das 
wäre mehr als Durchsicht, das wäre Umsturz der Verfassung 
gewesen. Mit Recht rief der sächsische Minister Freiherr v. Friesen 
den Antragstellern, die vom Ausbau der Verfassung gesprochen 
hatten, zu „man baue doch ein Haus nicht dadurch aus, daß 
man fortwährend an seinen Fundamenten rüttle“. Der Bundes= 
kanzler aber trat in einer wuchtigen Rede dem Antrage entgegen. 
Nicht ohne berechtigte Ironie hielt er den Antragstellern vor, 
daß sie sich die Sache zu leicht gemacht hätten, daß ihr Antrag 
zwar vielleicht an Unterschriften verloren, aber an Klarheit ge= 
wonnen hätte, wenn er auf bestimmte Änderungen bestimmter 
Verfassungsartikel ginge. Und dann enthüllte der Kanzler mit 
einigen kurzen Sätzen den wahren Kern des Antrages: Ent= 
eignung des Bundesrates zu gunsten von Bundesministerien! 
Er wies darauf hin, daß, wenn das Bundesministerium nur für 
dasjenige haftbar sein solle, wofür der Kanzler bisher verant= 
wortlich gewesen sei, nämlich für die Handlungen des Bundes= 
präsidiums, dies schwerlich ausreichen würde. Denn insbesondere 
seine Einwirkung bei der Gesetzgebung sei gleich null; da wirke 
er nur als preußischer Bevollmächtigter im Bundesrat mit. 
Ein weiteres Gebiet für die Verantwortlichkeit des Bundes= 
ministeriums könne also nur durch Einschränkung des Gebietes 
des Bundesrates hergestellt werden, sonst bleibe eine nur schmale 
Basis für jene Verantwortlichkeit übrig. Der Bundesrat habe 
nichts getan, wodurch er eine solche Herabsetzung seiner Stellung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.