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selben übermitteln würde. „Außerdem liegt darin eine, wie ich
glaube, der Verfassung nicht entsprechende Auffassung der Stellung
des Reichskanzlers. Es ist mir ja häufig, namentlich von An=
gehörigen der Partei der Antragsteller, vorgeworfen worden, daß
ich auf Erweiterung meiner Machtbefugnisse bis zur Stellung
eines Hausmeiers, oder wie die Bezeichnung sonst lantete, be=
dacht wäre. Die Herren tun ja aber selbst alles, um die Stellung
des Reichskanzlers breiter und gefürchteter zu machen, indem sie
ihre Wünsche, die an den Bundesrat gehören, in der Regel an
den Reichskanzler richten, bald in der freundlichen Form des
Ersuchens, bald in der barschen einer Aufforderung. Ich bin
dazu garnicht berufen, Ihre Anträge an den Bundesrat zu be=
sorgen. Sie haben einen viel direkteren Weg. Sie fassen Ihre
Beschlüsse und teilen sie durch Ihr Präsidium dem Bundesrate
mit. Beide gesetzgebenden Körper stehen in der Verfassung mit
gleichen Rechten in dieser Beziehung einander gegenüber. Der
Bundesrat ist dem Reichstag gegenüber das andere gesetzgebende
Haus, und man kann mir, der ich nicht als Reichskanzler, son=
dern als preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrat hier an=
wesend bin, nicht ein Kommissorium erteilen, im Bundesrate
gewisse Anträge zu stellen. Ich kann Anträge im Bundesrate
nur auf Veranlassung Sr. Majestät des Kaisers stellen. Mit
dieser Erklärung möchte ich nur den Reichskanzler hier aus dem
Gefecht ziehen und verhindern, daß die Figur desselben für solche
Augen, die die Verfassung nicht genau lesen, größer erscheint, als
sie in der Tat ist und ihren Schatten auf die Autorität des
Bundesrates wirft.“ Auf die Einwendung der Abgeordneten
Buhl (nationallib.) und Barth, daß die bei dem Antrag gewählte
Form bisher üblich und unbeanstandet gewesen sei, erwiderte
Fürst Bismarck: „Ich habe früher auf die Form so viel Gewicht
nicht gelegt; aber nachdem ich habe vernehmen müssen, daß man
von seiten sehr kompetenter, ich kann wohl sagen, gelehrter
Geschichtskenner mich einer Machterweiterungsbestrebung zeiht,
bin ich entschlossen, genauer darauf zu halten, daß niemand dem
Reichskanzler eine Kompetenz beilegt, die ihm nicht zusteht.“