Full text: Bismarcks Staatsrecht.

123 
sation der Gesetzgebung hinzudrängen; in meiner Stellung als 
Reichskanzler kann ich dies aber nicht. Sie spielen ein für 
unsere innere Ruhe bedenkliches Spiel, wenn Sie darauf speku= 
lieren, Unfrieden unter den Regierungen zu stiften. Ich habe 
nunmehr den Kampf um die deutsche Einheit nahezu 30 Jahre 
geführt, und ich weiß, wie schwer es mir immer geworden ist. 
Vor nahezu 30 Jahren wirkte ich im Bundestage, und fast 
18 Jahre bin ich jetzt Minister. Ich glaube, auch auf mich 
paßt das Wort, welches ich neulich in einer schlaflosen Nacht in 
einem französischen Historiker las, bezüglich eines Ministers, 
welcher freilich größer war als ich: „II devait nécessairement 
succomber aux haines inassouvies, qui s'accomblent toujours 
sur la tête d’un ministre, qui reste trop longtemps au pouvoir.“ 
(Er mußte notwendig dem ungesättigten Hasse unterliegen, 
welcher sich immer über dem Haupte eines Ministers zusammen= 
häuft, der zu lange am Ruder bleibt.) Ja, ich fürchte, 
18 Jahre Minister ist zu viel; zu viele Wünsche habe ich un= 
erfüllt gelassen, zu vielen Leuten Bitten abschlagen müssen, mit 
zu vielen Parteien gekämpft, um nicht viele Feinde zu haben. 
Ich würde gerne gehen; das einzige, was mich hält, ist der Wille 
des Kaisers, den ich in seinem hohen Alter nicht verlassen will. 
Ich selbst bin müde, totmüde. Aber wenn ich die Last von 
meinen Schultern wälzen soll, dann muß doch ein Vorschlag 
gemacht werden, wer an meine Stelle treten soll. Ich kann mich 
dem, was das Zentrum jetzt verlangt, nicht unterwerfen und 
glaube, daß das auch weiterhin nicht möglich sein wird, wenn 
es seine Ansprüche nicht einigermaßen modifiziert. Ich will es 
wünschen; denn mir ist es ja einerlei, ob nachher der Fortschritt 
oder der Freihandel meine Nachfolger auf dem Wege nach 
Kanossa sind — ich kann es aushalten. Der andere Weg ist 
dann möglich, wenn alle diejenigen, welche mit den Bestrebungen 
der Zentrumspartei nicht einverstanden sind, ihrerseits die inner= 
lichen Streitigkeiten vorläufig ruhen lassen, wenn die liberalen 
Parteien sich entschließen können, dem Zentrum die Heeresfolge 
absolut und für immer zu versagen. Wenn das nicht geschieht,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.