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lichen Beamten in mehreren fremden Verfassungen. Daß die
Beteiligung an den Parteikämpfen auf die Richter einiger=
maßen mehr zurückwirkt, als mit der Unparteilichkeit der richter=
lichen Stellung verträglich ist, davon habe ich selbst vielfach
Beispiele erlebt. Ich will Ihnen nur eins zitieren: Ich bin
namentlich in den ersten Jahren meiner Amtsführung ungemein
oft in der Lage gewesen, daß mir Erkenntnisse, die ohne mein
Wissen und meine Anregung gefaßt waren, wegen Be=
leidigung des preußischen Ministerpräsidenten zur Einsicht zu=
geschickt wurden, mit der Anfrage, ob ich sie veröffentlichen lassen
wolle. Ich habe manche dieser Erkenntnisse gelesen, andere nicht.
Im Durchschnitt fand ich, daß dieselben Beleidigungen, die, wenn
ein ehrbarer Handwerksmeister sie gegen einen andern ausspricht,
eine schwere Strafe, wenn er sie öffentlich ausspricht, Gefängnis,
oder eine höhere Geldstrafe nach sich ziehen können, dem
preußischen Ministerpräsidenten gegenüber angewendet, durch=
schnittlich 10 Taler kosteten. Für 10 Taler hatte jeder die
Freiheit, mir die schmachvollsten Injurien öffentlich zu sagen oder
drucken zu lassen, die er wollte. Daß da mit einem Maße ge=
messen war, welches von politischer Beeinflussung ganz frei ge=
wesen wäre, den Eindruck habe ich nicht gehabt. Er wurde aber
noch dadurch verstärkt, daß ich in einzelnen dieser Erkenntnisse
die richterliche Motivierung las: es lägen doch mildernde Umstände
vor; denn dieses Ministerium tauge wirklich nichts. Nun frage
ich: kann mit solchen Räsonnements eines erkennenden Richters
der Eindruck von Würde, von Ansehen, von Unparteilichkeit auf
die Dauer aufrecht erhalten werden, dessen die richterliche Stellung
bedarf?
Die Herren werden ans meiner Darlegung entnommen
haben, daß die Aufrechterhaltung des Artikels, genau wie er steht,
für mich gerade nicht, wenn ich so sagen soll, eine Kabinettsfrage
ist, daß ich mich aber freuen würde, wenn der Reichstag eine
oder die andere der Ansichten, die ich hier aus eigener Erfahrung
ausgesprochen habe, durch seinen Beschluß bestätigte, indem entweder
wenigstens die geistlichen und richterlichen Beamten ausgeschlossen