Full text: Bismarcks Staatsrecht.

150 
Schließung der Parlamente mit einzelnen das Wesen der Sache 
nicht berührenden Beschränkungen beigelegt und demselben damit 
zugleich in gewissem Sinne die obere Leitung der parlamenta= 
rischen Geschäfte zugewiesen worden. Gegenüber diesen dem 
Kaiser zustehenden Rechten ergebe sich, für den Landtag oder 
Reichstag, wenn er auf Einberufung des Staatsoberhauptes ver= 
sammelt ist, die Verpflichtung, die ihm überwiesenen Vorlagen 
in ununterbrochener Reihenfolge durchzuberaten und seine Ge= 
schäfte ohne Verzug zu erledigen. Entgegengesetztenfalls würde 
er mit den Rechten des Kaisers in Widerspruch treten und sich 
an Stelle derselben in willkürlicher Weise die nur diesem zu= 
stehende Bestimmung darüber anmaßen, ob im gegebenen Augen= 
blicke das Zusammensein im staatlichen Interesse für zweckmäßig 
und notwendig zu erachten ist, oder nicht. 
Eine Unterbrechung der Verhandlungen ist daher, sofern die= 
selbe nicht durch die Initiative des Staatsoberhauptes herbeigeführt 
wird, nur insoweit für zulässig zu erachten, als entweder äußere 
nicht zu beseitigende Umstände dieselbe unumgänglich notwendig 
erscheinen lassen, oder aber die ordnungsmäßige Erledigung der Ge= 
schäfte selbst dieselbe erheischt. Darüber hinaus steht dagegen nach 
den gegebenen Darlegungen dem Landtage so wenig, wie dem 
Reichstage, das Recht zu, die Verhandlungen zeitweise auszusetzen 
und die Geschäfte ruhen zu lassen. Am wenigsten gewähren hierfür 
die Geschäftsordnungen einen Anhalt. Dieselben sind bindend 
für diejenigen, deren Geschäfte dadurch geregelt werden sollen, 
also für die parlamentarischen Körperschaften. Für außerhalb 
der letzteren stehende Faktoren haben sie dagegen keine rechts= 
verbindliche Bedeutung und vermögen insbesondere nicht selb= 
ständige, verfassungsmäßig dem Kaiser zustehende Rechte zu 
schmälern und zu beeinträchtigen. Hieraus ergibt sich, daß 
längere Unterbrechungen der Sitzungen nur durch Vertagung, 
also durch einen Akt des Kaisers, bewirkt werden können! 
Nach Art. 22 des R.=V. sind die Verhandlungen des 
Reichstages öffentlich. Nach Rönne ist das jedoch nur die Regel, 
da nach Art. 27 der R.≈V. es dem Reichstage überlassen ist,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.