Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Reich sich eines Budgets rühmen, das an Genauigkeit und Klar= 
heit kaum zu übertreffen ist. Wir haben uns in Verbindung 
damit einer solchen Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit der Finanz= 
verwaltung zu erfreuen, daß dieser nächste und ummittelbarste 
Zweck jedes konstitutionellen Budgetrechts bei uns mindestens so 
vollkommen, wahrscheinlich aber viel besser erreicht wird, als in 
den meisten der Länder, in welchen jenes Recht wesentlich zu 
politischen Zwecken verwendet wird. 
Dagegen hat das Recht der Einnahmebewilligung in seiner 
spezifisch politischen Bedeutung, in welcher es nach einer weit 
verbreiteten Ansicht als das wichtigste und unentbehrlichste parla= 
mentarische Machtmittel gilt, in Bismarck von jeher einen sehr 
entschiedenen und entschlossenen Gegner gefunden. Es ist dem 
Reichstag bisher nicht gelungen, in dieser Beziehung mehr als 
die Wahrung des durch die Verfassung gegebenen Besitzstandes 
zu erreichen. Die Frage ist in dem Reichstag seit seinem Be= 
stehen ebenso häufig als lebhaft bei den Beratungen des Etats 
und verschiedener Steuer= und Zollgesetze verhandelt worden, war 
aber für denselben immer mit einer besonderen und eigentüm= 
lichen Schwierigkeit dadurch verbunden, daß der Reichstag eigent= 
lich weniger um sein eigenes Einnnahmebewilligungsrecht, das, 
soweit es ihm in der Bewilligung der Matrikularbeiträge zustand, 
unschwer aufrecht zu erhalten war, als vielmehr für die Ge= 
währung dieses Rechts an die Einzellandtage, speziell in Preußen, 
kämpfte, wo bekanntlich abweichend von dem gewöhnlichen konstitu= 
tionellen System die Steuern nicht vorübergehend je für eine 
Budgetperiode, sondern durch Gesetz ein= für allemal, d. h. 
bis zu einer von der Übereinstimmung aller Faktoren der gesetz= 
gebenden Gewalt abhängigen Änderung des Gesetzes, bewilligt sind. 
Die preußische Frage als solche konnte selbstverständlich nicht 
direkt im Reichstag verhandelt werden. Dagegen mußte sich 
dieser bei jeder von ihm neu zu bewilligenden eigenen Einnahme 
des Reiches die Frage vorlegen, ob nicht durch dieselbe die 
Matrikularbeiträge so gemindert werden würden, daß infolge 
davon bei den Einzelstaaten Einnahmeüberschüsse sich ergeben,
	        
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