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im letzteren Absatze gegebene kumulative Verbindung des Straf=
verfahrens mit der Untersuchungshaft hat man den Artikel dahin
ausgelegt, daß der Begriff des „zur Untersuchungsziehens“ und
des „Strafverfahrens“ nur solche Untersuchungshandlungen um=
fasse, welche direkt gegen die Person des Abgeordneten gerichtet
seien, oder mindestens seine Anwesenheit erforderten. Denn nur
durch solche Maßnahmen werde der Abgeordnete von seinen
Pflichten als Abgeordneter abgezogen und an ihrer Wahrnehmung
gehindert. Dieser Auslegung ist nicht beizutreten. Zunächst
steht ihr entgegen, daß in konsequenter Durchführung des geltend
gemachten Grundsatzes das Privilegium des Reichstages in Weg=
fall treten müßte, sobald sich der Abgeordnete der Beteiligung
an den Versammlumgen und Arbeiten des Reichstages enthält,
oder sobald in verfolg einer Vertagung die Sitzungen und Ar=
beiten desselben suspendiert sind. Der Schluß würde fehl gehen;
denn das Privilegium der Immunität wird dem Abgeordneten
auf Grund des Art. 31 der Verfassuug gewährt, ohne Rück=
sicht auf seine Anwesenheit und ohne Vorbehalt seiner Teilnahme
an den Arbeiten des Reichstages. Dies Privilegium wird ihm
auch während der Dauer einer Vertagung nicht entzogen. So=
dann aber kennt das zur Zeit geltende Prozeßrecht Untersuchungs=
handlungen, welche zwar nicht die persönliche Anwesenheit des
Angeklagten notwendig erfordern, dennoch aber von großem
Interesse für ihn sind und bedenkenlos als ein Teil des Straf=
verfahrens angesehen werden müssen, wie beispielsweise die
Hauptverhandlungen in der Revisionsinstanz. Hierzu tritt, daß
die Auslegung auch dem Wortlaute des Artikels 31 der Ver=
fassung nicht entspricht, denn wenn dasselbe „jedes Strafverfahren“
suspendiert wissen will, so erscheint es nicht gestattet, Unter=
suchungshandlungen zu diesem Verfahren nicht zu rechnen, so=
bald sie nicht mit einer persönlichen Belästigung des Abgeordneten
verbunden sind. Es steht auch der § 40 der Strafprozeßordnung
dieser Ansicht nicht zur Seite, da dieser sich nicht nur mit der
Vernehmung eines Abgeordneten beschäftigt und daher für Er=
läuterung des Begriffs „Strafverfahren“ nicht verwertbar ist.