Das finanzielle Verhältnis des Reiches
zu den Bundesstaaten.
Die Grundlage der gesamten Finanzpolitik des Fürsten
Bismarck bildet der Artikel 70 der Reichsverfassung, welcher be=
stimmt, daß die Reichsausgaben, insoweit sie durch die gemein=
schaftlichen Einnahmen aus Zöllen, Verbrauchssteuern, dem Post=
und Telegraphenwesen nicht gedeckt werden, so lange Reichssteuern
nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten
(Matrikularbeiträge) aufgebracht werden sollen. ⁵⁴) Er erklärte
dies schon, als im Reichstage die Matrikularbeiträge zum ersten
Male zur Sprache kamen, für einen bloßen Notbehelf. Es sei
des Reiches unwürdig, an alle Einzeltüren zu klopfen und Bei=
träge zu sammeln. Das Reich müsse vielmehr der freigebige
Versorger der Einzelstaaten sein ⁵⁵).
„Die Anweisung auf Matrikularbeiträge“, sagte Fürst
Bismarck, „kann ich nicht annehmen. Das große Bindemittel
einer starken, gemeinsamen Finanzeinrichtung, eincs gemeinsamen
Finanzsystems, fehlt einem Reiche, welches nur auf Matrikular=
beiträgen begründet ist. Die Matrikularbeiträge zu vermindern,
ist Aufgabe einer wohlerwogenen Reichspolitik.“ Dies ist der
leitende Gedanke des Fürsten Bismarck immerdar geblieben.
Er fand in ihm von vornherein den Impuls, Reichs=
steuern, wie die Verfassung sie in Aussicht nimmt, einzuführen.
⁵⁴) efr. Anmerkg 44.
⁵⁵) efr. Dr. H. Robolsky „Der Deutsche Reichstag", Berlin, bei Conr.
Skopnik 1893 pag. 335 ff.