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als würden sie ohne Not zurückgedrängt. Es würde stets ein
Fehler sein, wenn die Reichsregierung die Angelegenheiten nicht
so zu leiten wüßte, daß die Führung der Geschäfte vom Bundesrat
ausgeht, oder wenigstens auszugehen scheint. Der Bundesrat
kann nachträglich zustimmen, schon weil er nicht ohne zwingende
Not gegen den größten Bundesstaat stimmen wird. Aber das
Gefühl, in einer Zwangslage zu handeln, kann noch lange nach=
wirken und schließlich zu ernsten Verstimmungen führen, die
nicht erst nachteilig sind, wenn sie sich öffentlich äußern.
Als die zuverlässigste Stütze für den Zusammenhalt des
Reiches hat Bismarck den wohlverstandenen Vorteil der deutschen
Dynastien erkannt. ⁵a) In früheren Zeiten widerstrebte jede
Dynastie, ob groß oder klein, einer gemeinsamen, die Einzelrechte
beschränkenden Institution und suchte in dem Chaos sich zu erhalten
und ihren Besitz zu mehren, so gut sie konnte, indem sie in Zeiten
der Not ein Unterkommen suchte, wo es sich finden ließ, wenn
es auch bei dem schlimmsten Räuber an deutschem Gut und
deutscher Ehre war. Bismarck hat die Fürsten gelehrt, daß sie
mit einigen, der Gemeinsamkeit gebrachten Opfern doch ein
recht ansehnliches, bequemes und gesichertes Dasein gewonnen
haben, das viel weniger den Stürmen ausgesetzt ist, als in
früherer Zeit, das aber allerdings nur zu behaupten ist durch
eine den Entwickelungsbedürfnissen wie den materiellen und
geistigen Gütern der Nation gewidmete, verständige Obsorge.
Diese muß in die Hände einer Stelle gelegt werden, wo die
maßgebenden Einflüsse sich vereinigen. So wird der Träger
des Kanzleramtes zum Vertrauensmann der vereinigten Fürst=
lichkeiten, zum Ausgleicher zwischen der vereinigten Fürstenmacht
und dem Bedürfnis der Nation.
Bei dem der deutschen Nation innewohnenden Partikularis=
mus bringen die Fürsten ein nicht zu verachtendes Kapital an
Einfluß mit, welches grundsätzlich und mit Sorgfalt zu schonen
ist. Aber das einige Handeln der Fürsten beruht nicht nur auf
⁵a) efr. „Preußische Jahrbücher,“ Septemberheft 1886.