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Das Zurückbleiben der Einnahmen hinter den wachsenden
Bedürfnissen des Reiches äußerte sich seitdem in einer fort=
schreitenden Steigerung der Matrikularbeiträge. Neue Steuern
hatte der Reichstag 1881 abgelehnt, das Tabaksmonopol 1882.
Das Streben der Finanzpolitik des Reichskanzlers, durch stärkere
Ausnutzung der indirekten Steuerquellen des Reiches nicht nur
dieses von der Unterstützung der Einzelstaaten frei zu machen,
sondern aus dem Überfluß noch große Summen an die Bundes=
staaten zur Erleichterung ihrer staatlichen und kommunalen Lasten
abzuführen, kam seiner Verwirklichung nicht näher. Auch die ge=
steigerten Erträge durch Erhöhung der Zölle⁵⁹), die zum großen
Teile in die Kassen der Einzelstaaten flossen und in Preußen
wieder zu kommunalen Erleichterungen verwendet werden
mußten⁶⁰), vermochten die Bedürfnisse des Reiches nicht zu
befriedigen. Die Versuche, diesem Ziele auf dem Wege einer
stärkeren Ausnützung des Branntweins näher zu kommen,
scheiterte 1886, während das Börsensteuergesetz vom 1. Juni 1886
keine genügende Wirkung erzielte, um gegenüber den umfassenden
Bedürfnissen des Reiches nach neuen Einnahmen entscheidend
ins Gewicht zu fallen.
Erst der neue Reichstag von 1887 brachte durch ein günsti=
geres Verhältnis der Parteien Abhilfe. Bismarck überließ die
Befürwortung der neuen Steuergesetze (Branntwein und Zucker)
dem Herrn v. Scholz. Die von der Fortschrittspartei vorge=
schlagene Einführung einer Reichseinkommensteuer wurde ab=
gelehnt.
Die Gedanken Bismarcks über eine solche Steuer traten
aus einem Artikel hervor, den die „Hamb. Nachr.“ 1893
brachten, als die Regierung einen Gesetzentwurf einbrachte,
der das Verhältnis der Matrikularbeiträge und Überweisungen
regeln sollte. Es heißt daselbst: „Da die Notwendigkeit der Be=
schaffung neuer Reichseinnahmen nicht bestritten werden kann, so
⁵⁹) Gesetz vom 22. Mai 1885.
⁶⁰) Lex Huene vom 14. Mai 1885.