Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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setzen? Etwa das preußische Dreiklassensystem? Ja, wer dessen 
Wirkung und die Konstellationen, die es im Lande schafft, 
etwas in der Nähe beobachtet hat, muß sagen, ein wider= 
sinnigeres, elenderes Wahlgesetz ist nicht in irgend einem Staate 
ausgedacht worden; ein Wahlgesetz, welches alles Zusammen= 
gehörige auseinanderreißt und Leute zusammenwürrfelt, die nichts 
miteinander zu tun haben; in jeder Kommune mit anderem 
Maße mißt; Leute, die in irgend einer Gemeinde weit über die 
erste Klasse hinausreichen und diese allein ausfüllen würden, in einer 
benachbarten Kommune in die dritte Klasse wirft; in Gemeinden, 
wo beispielsweise drei Besitzer, jeder ungefähr 200 Taler Steuer 
bezahlen, deren zwei in die erste Klasse und den dritten, der 
sieben Silbergroschen weniger bezahlt, in die zweite verweist, wo 
seine Mitwähler mit fünf Taler Steuern anfangen. Und von 
den bäuerlichen Besitzern mit fünf Taler Steuern kommt wieder eine 
gewisse Anzahl zur zweiten Klasse; plötzlich zwischen Hans mit vier 
Taler sieben Silbergroschen und Kunz mit vier Taler sechs Silber= 
groschen reißt die Reihe ab, und die anderen werden mit dem 
Proletariat zusammengeworfen. Wenn der Erfinder dieses Wahl= 
gesetzes sich die praktische Wirkung desselben vergegenwärtigt 
hätte, hätte er es nie gemacht! Eine ähnliche Willkürlichkeit, 
und zugleich eine Härte liegt in jedem Census, eine Härte, die 
da am fühlbarsten wird, wo dieser Census abreißt, wo die Aus= 
schließung anfängt. Wir können es dem Ausgeschlossenen gegen= 
über doch wirklich schwer motivieren, daß er deshalb, weil er 
nicht dieselbe Steuerquote wie sein Nachbar zahlt — und er 
würde sie gern bezahlen, denn sie bedingt ein größeres Ver= 
mögen, das hat er aber nicht — er gerade Helot und politisch 
tot in diesem Staatswesen sein solle. Diese Argumentation findet 
überall an jeder Stelle Anwendung, wo eben die Reihe derer, 
die politisch berechtigt bleiben sollen, abgebrochen wird. 
Auf ständische Wahlrechte zurückzugreifen, hat noch nie= 
mand vorgeschlagen, und ich erwähne sie nur, um die Richtig= 
keit einer vorhin hier ausgesprochenen Meinung zu bestätigen, 
daß im ganzen jedes Wahlgesetz unter denselben äußeren
	        
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