Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Die Annahme des allgemeinen Wahlrechts war eine Waffe 
im Kampfe gegen Österreich und weiteres Ausland, im Kampfe 
für die deutsche Einheit, zugleich eine Drohung mit letzten Mitteln 
im Kampfe gegen Koalitionen. In einem Kampfe derart, wenn 
es auf Tod und Leben geht, sieht man die Waffen, zu denen 
man greift, und die Werte, die man durch ihre Benutzung zer= 
stört, nicht an; der einzige Ratgeber ist zunächst der Erfolg des 
Kampfes, die Rettung der Unabhängigkeit nach außen; die 
Liquidation und Aufbesserung der dadurch angerichteten Schäden 
hat nach dem Frieden stattzufinden. Außerdem halte ich noch 
heute das allgemeine Wahlrecht nicht bloß theoretisch, sondern auch 
praktisch für ein berechtigtes Prinzip, sobald nur die Heimlichkeit 
beseitigt wird, die außerdem einen Charakter hat, der mit den besten 
Eigenschaften des germanischen Blutes in Widerspruch steht. 
Die Einflüsse und Abhängigkeiten, die das praktische Leben 
der Menschen mit sich bringt, sind gottgegebene Realitäten, die 
man nicht ignorieren kann und soll. Wenn man es ablehnt, sie 
auf das politische Leben zu übertragen, und im letzteren den 
Glauben an die geheime Einsicht aller zu grunde legt, so gerät 
man in einen Widerspruch des Staatsrechts mit den Realitäten 
des menschlichen Lebens, der praktisch zu stehenden Friktionen 
und schließlich zu Explosionen führt und theoretisch nur auf dem 
Wege sozialdemokratischer Verrücktheiten lösbar ist, deren Anklang 
auf der Tatsache beruht, daß die Einsicht großer Massen hin= 
reichend stumpf und unentwickelt ist, um sich von der Rhetorik 
geschickter und ehrgeiziger Führer unter Beihilfe eigener Begehr= 
lichkeit stets einfangen zu lassen. 
Das Gegengewicht dagegen liegt in dem Einflusse der Ge= 
bildeten, der sich stärker geltend machen würde, wenn die Wahl 
öffentlich wäre, wie für den preußischen Landtag. Die größere 
Besonnenheit der intelligenteren Klassen mag immerhin den 
materiellen Untergrund der Erhaltung des Besitzes haben; der 
andere des Strebens nach Erwerb ist nicht weniger berechtigt: 
aber für die Sicherheit und Fortbildung des Staates ist das 
Übergewicht derer, die den Besitz vertreten, das Nützlichere.
	        
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