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dieses Umstandes eine so umfangreiche und höchst erregte Ver=
handlung über diesen Antrag möglich war, so läßt sich das wohl
nur aus dem Umstande erklären, daß es sich um Wahlrechts=
theoreme handelte: ein Thema, bei welchem der Parteigeist seinen
Einfluß geltend machen und die aus ihm fließende Leidenschaft=
lichkeit den geistigen Blick der unter seinem Drucke Befindlichen
trüben mußte.
Das thema probandum war, daß die „Wahlfreiheit“ eines
weiteren Schutzes teilhaftig werden sollte, indem Arbeitgeber oder
deren Angestellte mit Gefängnis nicht unter drei Monat und
Verlust der Ehrenrechte bestraft werden sollen, wenn dieselben
einen im Lohn des Ersteren stehenden Deutschen wegen Aus=
übung oder Nichtausübung öffentlicher Wahl= oder Stimmrechte
aus der Arbeit entlassen, seinen Arbeitsverdienst kürzen oder ihn
mit derartigen Maßregeln bedrohen.
Man braucht sich durchaus nicht dahinter zu verschanzen,
daß die Mangelhaftigkeit der im Antrage enthaltenen Kriterien
schon die Schwierigkeit andeutet, dasjenige, was man mit dem
Antrage treffen will, juristisch und vor allem kriminalistisch faß=
bar zu machen. Man kann sogar zugeben, daß zwar nicht der
Gebrauch, wohl aber der Mißbrauch wirtschaftlicher Autorität in
den gedachten Fällen nicht schön sei; aber zunächst drängt sich
doch die Frage auf, ob denn so zahlreiche und so bedenkliche Fälle
derartigen Mißbrauchs nachgewiesen seien, daß man sich ent=
schließen müßte, die mit Ausnahme der Sozialdemokraten von
allen Seiten zugegebenen Bedenken abzuweisen und eine der=
artige drakonische Strafbestimmung gegen solche Mißbräuche zu
fixieren?
Aus dem stenographischen Berichte ist man aber in der Lage,
zu konstatieren, daß von seiten der dem Antrage im Prinzip Ge=
neigten auch nicht ein einziger Fall vorgebracht wurde, der unter
die Kriterien des Antrages fiele. Was Herr Lenzmann an
„Fällen“ vortrug, bezog sich nämlich durchaus nicht auf Aus=
übung von Wahl= oder Stimmrechten, sondern auf die Beteili=
gung an der Agitation, und das Recht wird man den Arbeit=