Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Der Abg. Richter sah diese Botschaft von dem Gesichtspunkte 
an, daß durch die Erfüllung des kaiserlichen Wunsches der Reichs= 
kanzler in die Lage versetzt würde, während der Dauer von 
1½ Jahren ohne den Reichstag zu regieren. Der nationalliberale 
Abg. von Ende sprach die Hoffnung aus, daß die Regierung 
durch die Praxis sich von der Undurchführbarkeit einer zwei= 
jährigen Budgetberatung überzeugen werde, während der konser= 
vative Abgeordnete von Köller wünschte, daß die Regierung an 
dem zweijährigen Etat festhalten werde. Darauf hat nun aller= 
dings die Regierung verzichten müssen, aber für dieses Mal 
wurden die beiden vorgelegten Etats von der nationalliberalen 
und konservativen Mehrheit des Reichstages genehmigt. Die 
beiden konservativen Fraktionen und die Nationalliberalen brachten 
in der Reichstagssession von 1887—1888 einen gemeinsamen 
Antrag ein, Art. 24 der Reichsverfassung dahin abzuändern, 
daß die Legislaturperioden des Reichstages, anstatt der bisherigen 
drei, fünf Jahre dauern sollen. 
Herr von Bennigsen legte bei der ersten Lesung in einer 
großen Rede die für eine Verlängerung der Wahlperioden sprechen= 
den Gesichtspunkte in sehr überzeugender Weise dar und wies dabei 
aufs Entschiedenste jede Mitwirkung bei etwaigen weiteren, nach 
seiner Ansicht die Rechte des Reichstages und Volkes gefährdenden 
Verfassungsänderungen, wie zweijähriger Budgets oder Antastung 
des allgemeinen gleichen Wahlrechtes, von sich und seiner Partei 
ab. Der Antrag wurde in zweiter Lesung am 7. Februar, in 
namentlicher Abstimmung mit 183 gegen 95 Stimmen an= 
genommen. Die deutsch=freisinnige Partei beantragte darauf die 
Hinzufügung eines Paragraphen, welcher die Gewährung von 
Reisekosten und Diäten an die Reichstagsabgeordneten ausspricht. 
Indessen entschied der Reichstag, daß der Antrag mit dem vor= 
liegenden Gegenstand nicht in einem wesentlichen Zusammenhang 
stehe und seine Verhandlung bei dieser Gelegenheit darum un= 
zulässig sei. In dritter Lesung wurde der Gesetzentwurf mit 
ähnlicher Mehrheit angenommen.
	        
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