völkerung vermehrt. So zählt das Abgeordnetenhaus einige
dreißig Mitglieder mehr, als der Reichstag. Wollte man das
allgemeine gleiche und unmittelbare Wahlrecht für die preußischen
Abgeordnetenwahlen einführen, so müßte doch in Betracht ge=
zogen werden, ob die bisherige Ernennung von 2 bis 3 Ab=
geordneten durch einen und denselben Wahlkreis bei unmittel=
baren Wahlen zulässig wäre, und ob anderenfalls die verkleinerten
Wahlkreise sich für die Anwendung dieses Verfahrens eignen.
Einerseits wird die direkte Wahl durch die Kleinheit des Wahl=
kreises allerdings vereinfacht, weil es leichter ist, eine allen be=
kannte Persönlichkeit aufzufinden. Aber bei der Einführung des
allgemeinen und unmittelbaren Wahlrechts wurde namentlich
auch durch den damaligen Bundeskanzler, darauf hingewiesen,
daß die Größe der Reichswahlkreise in Verbindung mit dem
allgemeinen und unmittelbaren Wahlrecht die Wahl nur auf
Personen von Ansehen und Verdienst fallen lassen werde. In
den kleineren Wahlkreisen fehlt leicht das ummittelbare, numerisch
oder moralisch herbeigeführte Gegengewicht der verschiedenen
sozialen Elemente, welchen das Dreiklassensystem gerecht zu
werden ein Versuch ist. Es ist daher zu fürchten, daß in kleinen
Wahlkreisen das Resultat der direkten und gleichen Wahl öfter
sehr einseitig ausfällt.
Mit diesen Gesichtspunkten ist die Frage noch nicht er=
schöpft. Sie können aber einen Fingerzeig dafür geben, daß die
Lösung nicht so einfach ist, als sie in den jüngsten Tagen mehr=
fach hingestellt wurde.“
Eine offiziöse Stimme sagte dazu:
„Das allgemeine direkte Wahlrecht war geschichtlich ein Pro=
dukt der Verlegenheit ⁷⁵). Es hat sich bisher im ganzen ungefährlich
bewiesen, und auch die konservative Partei hat nicht Ursache,
damit absolut unzufrieden zu sein, so weit die Wahlresultate in
Betracht kommen. Das indirekte Wahlrecht ist nicht in gleicher
Weise als ein Notbehelf ins Dasein getreten, sondern beruht
⁷⁵) efr. „Rhein. Westf. Post“ v. November 1882.