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Hierzu bemerkte die „Voss. Ztg.“: Es handle sich offenbar
um das Abschiedsgesuch vom 6. April 1880, das der Kanzler
einreichte, als der Bundesrat mit 30 gegen 28 Stimmen die
Besteuerung der Postanweisungen ablehnte. Den Stempelsteuer=
entwurf ohne diese Steuer einzubringen, weigerte sich der Fürst.
Er forderte seine Entlassung, die abgelehnt wurde. Der Bundes=
rat nahm seinen Beschluß zurück. An diese tatsächliche Mit=
teilung knüpfte das genannte Blatt sodann die folgende Be=
merkung: „Daß der Kaiser und nicht Fürst Bismarck den Beschluß
des Bundesrates als unannehmbar ansah, wird allenthalben
überraschen. Ebenso muß man sich wundern, daß sich der Kaiser
vorschreiben ließ, in welcher Form das Entlassungsgesuch ab=
zulehnen sei. Derartigen „politischen Schachzügen“ ist Fürst
Bismarck stets zugeneigt, Kaiser Wilhelm stets abgeneigt gewesen.“
In der Richtigstellung der „Hamb. Nachr.“ ist indessen nicht
davon die Rede, daß der damalige Kanzler sich gestattet habe,
seinem allergnädigsten Herrn sachlich oder formell das geringste
vorzuschreiben. Nur einer Vereinbarung zwischen dem Kaiser und
seinem obersten Ratgeber wurde gedacht, und daß eine solche der
kaiserlichen Würde auf der einen, und der Stellung des Fürsten
Bismarck auf der anderen Seite, nicht zuwider läuft, kann man
zugeben.⁶)
Gegen die von den „Hamb. Nachr.“ aufgestellte Theorie,
daß der Kaiser ein Veto durch die Erklärung ersetzen kann, er
könne keinen Kanzler finden, der die Verantwortung dafür über=
nähme, sind große Bedenken erhoben worden. Man betonte, der
Kaiser könne keinen selbständigen Faktor in der Gesetzgebung
des Reiches bilden, wie denn auch diejenigen Staatsrechtslehrer,
die, wie Robert von Mohl, ihm das Recht einräumten, einem
Beschlusse des Bundesrats seine Mitwirkung zu versagen, dies
Recht nur auf den Fall der „Verfassungswidrigkeit“ beschränkten.
Das kaiserliche Veto, wie es der erste Reichskanzler sich dachte,
wäre im Grunde nichts anderes, als eine Deckung für die
⁶) efr. „Berliner Neueste Nachrichten“ vom 3. September 1890.