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Falle verschränkt werden. Wird darauf hingewiesen, daß die
Bundesratssitzungen die Stelle seien, wo die Minister der Par=
tikularstaaten ihre Ansicht vertreten könnten, so ist demgegenüber
hervorzuheben, daß die Sitzungen des Bundesrates keine öffent=
lichen sind, daß also die Bevölkerung der betreffenden Einzel=
staaten über die Haltung ihrer Minister vollkommen ununter=
richtet bleiben würde, sofern sie darauf beschränkt wären, ihre ab=
weichenden Meinungen lediglich im Bundesrate kund zu tun.“
Auch das preußische Abgeordnetenhaus hat zweimal über
bedeutsame Fragen verhandelt, welche zur Kompetenz des Reiches
gehören.
Als der Abgeordnete v. Minnigerode im Mai 1887 im Ab=
geordnetenhause den Antrag einbrachte, die Königlich Preußische
Staatsregierung zu ersuchen, im Bundesrat auf die Erhöhung
der landwirtschaftlichen Zölle hinzuwirken, hat der damalige
Landwirtschaftsminister Dr. Lucius in der Sitzung vom 4. Mai
ausdrücklich erklärt: „Er sei zu der Erklärung ermächtigt, daß
die Königliche Staatsregierung die Notlage, in welcher sich die
deutsche Landwirtschaft befinde, durchaus anerkenne und daß sie
bereit sei, mit einer Erhöhung der Zölle vorzugehen, falls sie
die Zustimmung der verbündeten Regierungen finde.“
Darauf wurde vom Abgeordneten v. Schorlemer Übergang
zur Tagesordnung beantragt, beziehungsweise der Antrag vom
Antragsteller zurückgezogen. Diese Zusage wurde durch die im
November eingebrachte und im Dezember verabschiedete Vorlage
erfüllt, wodurch die Roggen= und Weizenzölle auf 5 Mark er=
höht wurden.
Wenn durch diese Tatsache die Stellung des Fürsten Bis=
marck zu dieser Frage außer allem Zweifel gestellt wird, so ist
es allerdings eine andere Frage, ob und wann es zweckmäßig
für den preußischen Landtag ist, von diesem Recht Gebrauch zu
machen. Unbedingt zu verneinen ist sie in dem im Juli 1902
im Abgeordnetenhause eingebrachten Antrag des Grafen Limburg=
Stirum, der auf die Reichsregierung, hinsichtlich des dem Reichs=
tage vorgelegten Zolltarifentwurfs, einen Druck ausüben wollte.