Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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In einem nationalliberalen Blatt finden sich über die da= 
maligen Verhandlungen folgende beachtenswerte Ausführungen: ⁹⁴) 
Als im November 1870 die Verhandlungen mit Bayern 
und Württemberg in Versailles stattfanden, wollte der Kronprinz 
eine enge Zentralisierung aller militärischen Kräfte, also alles 
in allem wohl mehr oder minder eine kaiserliche Armee. Der 
Kaiser und Bismarck aber glaubten nicht mehr erreichen zu 
können, als tatsächlich erreicht worden ist. Hierzu ist wohl noch 
bei König Wilhelm I. die Abneigung gegen Änderung der 
Äußerlichkeiten, der Bezeichnungen und Farben, unter denen er 
als siebzehnjähriger Prinz und als siebzigjähriger Monarch zu 
Felde gezogen war, hinzugekommen. Man wollte die deutschen 
Verbündeten, welche tapfer mit uns gefochten hatten, zufrieden 
nach Haus gehen lassen. So ließ man den deutschen Fürsten 
eine Anzahl militärischer Hoheits= und Ehrenrechte; jedoch wurde 
überall, mit Ausnahme Bayerns, der deutsche Kaiser als oberster 
Kriegsherr im Krieg und Frieden anerkannt. Diese Verhältnisse 
wurden zum Teil dadurch geordnet, daß eine Anzahl deutscher 
Staaten ihre Truppen in eine engere Vereinigung mit der 
preußischen Armee, dem mächtigen Kern des deutschen Heeres 
treten ließen, Bayern hatte jedoch durch den Vertrag vom 
23. November 1870 seine Militärhoheit im Frieden behalten. 
Indes war dem deutschen Kaiser nicht nur das Inspektionsrecht, 
sondern eine Inspektionspflicht beigelegt worden. Im Kriege 
aber sollen alle bayrischen Truppen nach jenem Vertrage, der 
durch die Schlußbestimmung zum elften Abschnitt der Deutschen 
Reichsverfassung reichsgesetzliche Gültigkeit hat, unter den Befehl 
des Kaisers treten. 
So behielt Bayern, obgleich es nur die im Reichshaushalt 
ausgeworfene Quote wie jeder andere Staat erhält, sein eigenes 
Kriegsministerium, seinen Generalstab (Zentralstelle genannt), 
seine Schießschulen, seine Kriegsakademie u. s. w. Sachsen und 
Württemberg hatten ebenfalls eine eigene Verwaltung unter 
⁹⁴) efr. „Nationalzeitung“ vom 16. Oktober 1897.
	        
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