Der Kriegsschatz.
Der deutsche Kriegsschatz, welcher nur im Falle eines Krieges
mobil gemacht werden darf, wurde vom Reichskanzler gefordert,
um im Falle der Not in kürzester Frist die Kriegsbereitschaft
in materieller Hinsicht herstellen zu können. Im Grunde bedeutete
diese Forderung nur eine Erweiterung des preußischen Kriegs=
schatzes von 90 auf 120 Millionen für das Deutsche Reich.
Nach der Bewilligung des Reichstags gingen am 3. Juli 1874
60 Millionen Mark aus der Deutschen Reichsbank nach Spandau
ab, und zwei Tage später folgten weitere 60 Millionen. ⁹⁸)
Dieser Reichskriegsschatz, bestehend aus geprägtem Gold und
schweren Goldbarren, wurde in eisernen Kisten im Juliusturme
der Festung Spandau untergebracht.
Der Reichstag verhandelte über den Kriegsschatz in der
Herbstsession 1871. Der Abgeordnete Loewe griff in der Sitzung
vom 23. Oktober 1871 die Vorlage vom volkswirtschaftlichen
Standpunkte an. Eine so große Summe solle man nicht viele
Jahre lang tot liegen lassen. Man solle, falls wieder ein
Krieg ausbreche, dem Patriotismus vertrauen, der bei der An=
leihe vom Jahre 1870 sich aufs glänzendste gezeigt habe. Der
bayerische Abgeordnete Greil stimmte ihm bei, befürchtete sogar,
daß durch die Gründung eines Kriegsschatzes die Beunruhigung
in Deutschland nicht beschwichtigt, sondern erhöht und der Auf=
schwung des Volkes dadurch gehemmt werde. Auch sei durch
dieses Gesetz das verfassungsmäßige Recht Bayerns auf selb=
ständige Kriegsverwaltung beeinträchtigt. Der bayerische Finanz=
⁹⁸) efr. „Münchener Neueste Nachrichten“ vom 15. April 1896.