Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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sierung zu verhindern. Auch sei wohl zu bedenken, daß der 
Bundesrat eine Art geheimes Kabinett sei, über dessen Schwelle 
der Inhalt der Verhandlungen nicht hinauskomme; daß aber 
durch eine öffentliche Verhandlung im Reichstag über die Mo= 
tive eines Krieges, wenn man noch im ersten Stadium der 
Mobilmachung stehe, die Aktionsfreiheit der Regierung gelähmt 
würde. Denn Deutschland werde, obgleich es Eroberungskriege 
von sich weise, vermöge seiner zentralen, von verschiedenen Seiten 
angreifbaren Lage, leicht in den Fall kommen, seinen Verteidi= 
gungskrieg mit einem kräftigen, den Gegner überraschenden, Vor= 
stoß zu beginnen. Die Deckung des linken Rheinufers wäre im 
Jahre 1870 ohne einen Kriegsschatz nicht möglich gewesen. Die 
Frage Hoverbecks, was die Folge wäre, wenn der Reichstag ein= 
mal nachträglich seine Zustimmung zur Verwendung des Kriegs= 
schatzes verweigere, halte er nicht für sachgemäß, da ja der 
Kriegsschatz doch nur zur Mobilisierung ausreiche, nicht zur wei= 
teren Führung des Krieges, der Reichstag also schon vorher um 
Kreditbewilligung angegangen werden müßte, also auch schon vor= 
her, nicht erst nachträglich seine Zustimmung oder Verweigerung 
auszusprechen in der Lage sei. Die Frage wäre nur dann prak= 
tisch, wenn es sich um reine Mobilmachungs=Demonstrationen 
handelte, wozu der Kriegsschatz vielleicht hinreichte; aber solche 
Demonstrationen hätten sich in den letzten Jahrzehnten in solchem 
Grade abgenutzt, daß der Satz: „man macht nicht mobil, wenn 
man nicht weiß, daß man schlagen muß“, so ziemlich in der 
Überzeugung aller Politiker durchgedrungen sei. Zugleich er= 
klärte Fürst Bismarck, daß mit dem Antrag Hoverbecks das 
ganze Gesetz für die verbündeten Regierungen unannehmbar sei, 
und daß dann die preußische Regierung in der bedauerlichen Lage 
wäre, ihrerseits den vorhandenen Bestand eines Kriegsschatzes fest= 
zuhalten, bis von seiten des Reiches ein Ersatz gefunden sein würde. 
Der Antrag Hoverbeck wurde abgelehnt, und, bei der 
dritten Lesung am 6. November 1871, das ganze Gesetz mit 
großer Mehrheit angenommen. 
  
Bismarcks Staatsrecht. 20
	        
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