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war die Angelegenheit zu Gunsten der Auffassung des Herren=
hauses entschieden.
Fast ein Vierteljahrhundert später veröffentlichte die „Kreuz=
zeitung“ aus Kreisen, von denen sie annehmen zu dürfen glaubte,
daß sie die Anschauung des Fürsten Bismarck kennen und zu
vertreten bemüht waren, nachstehende Ausführungen ¹⁰³):
„Bei der zweiten Lesung des Etats des Herrenhauses hat
Professor Dr. Friedberg die gegenwärtige Zusammensetzung des
preußischen Herrenhauses als unzulänglich und einseitig bezeichnet
und das Staatsministerium ersucht, bei der Krone eine geeignete
Vertretung aus den Kreisen von Handel, Industrie und korpora=
tiven Verbänden in Anregung zu bringen.
So viel wir sehen, sind es namentlich die „Kölnische Zeitung“
und die „Nationalliberale Korrespondenz“ gewesen, die dieser
wiederholten Anregung zu einer Reform des Herrenhauses zu=
gestimmt haben. Die „Kölnische Zeitung“ erblickt in der jetzigen
Zusammensetzung des Hauses eine Verletzung der Gesamtinteressen
des preußischen Volkes, weil von den 317 Berechtigungen auf
einen Herrenhaussitz nur 48 den Städten und 9 den Hochschulen
zugefallen, während 42 Herren aus besonderem allerhöchsten
Vertrauen berufen seien, darunter zum größten Teil hohe Be=
amte, mehrere Generäle, die Mehrzahl der Kronsyndiei, sowie
ein Paar Gelehrte; der ganze Rest der Berechtigungen, 216, ent=
fiele ausschließlich auf den Großgrundbesitz. Die „Kölnische
Zeitung“ behauptet, das seien Zustände, die nicht gerecht und
sachgemäß wären; sie schadeten dem Ansehen und der Stellung
des Herrenhauses, die Monarchie leide darunter und es sei rat=
sam, bald tunlichst auf Abhilfe Bedacht zu nehmen.
Wir unsererseits teilen diese Auffassung nicht, sondern sind
der Ansicht, daß das preußische Herrenhaus gerade in
seiner jetzigen Zusammensetzung besonders geeignet ist,
die Aufgaben zu erfüllen, welche ihm durch die Ver=
fassung und die staatliche Wohlfahrt zugewiesen werden.
¹⁰³) efr. „Neue Preußische (Kreuz) Zeitung“ vom 7. März 1896.