Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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stimmung der Kammer ausgeübt wird, und daß der König nicht 
ohne besonderes Gesetz eine bereits eingeleitete Untersuchung 
niederschlägt. Man hat sich im Sinne der Beschränkung des 
Königlichen Gnadenrechts und im Sinne der Herstellung einer 
Rechenschaftsverpflichtung für den Minister, der die Bekundung 
desselben kontrasigniert hat, auf das preußische Landrecht be= 
rufen, welches in seinem Teil II, Tit. 13, § 9 die Bestimmung 
enthält, daß der König nur berechtigt sei, „aus erheblichen 
Gründen“ Verbrechen zu verzeihen. Allein die Strafprozeßord= 
nung, die jetzt gilt, hat, wie die frühere preußische Kriminal= 
ordnung ¹²²) diese Einschränkung weggelassen. Aus den Materialien 
des Allgemeinen Landrechts geht in bezug darauf hervor, daß 
von mehreren Monenten beantragt war, über die Ausübung des 
Begnadigungsrechtes gewisse Normen festzustellen; allein Suarez 
bemerkt in der rev. mon. ad § 8 des Entwurfes, „daß dies nicht 
in das Gesetzbuch gehöre, sondern Maximen der Regierungskunst 
seien.“ Bei dem Vortrage wurde allerdings von dem Groß= 
kanzler der Zusatz der gedachten Worte (aus erheblichen Gründen) 
beschlossen ¹²³); offenbar aber ist der Zusatz ohne praktische Be= 
deutung und enthält keine bindende Beschränkung des Rechts¹²⁴). 
Bei dieser Sachlage und bei der formellen Natur der ministeriellen 
Kontrasignatur der Königlichen Gnadenerlasse steht dem Abgeord= 
netenhause, wie gesagt, kaum ein verfassungsmäßiges Recht zu, 
solche Erlasse, obwohl sie ministeriell kontrasigniert sind, zum 
Gegenstand einer Beschlußfassung zu machen. So liegt die Sache 
staatsrechtlich.“ 
Neben diesem staatsrechtlichen Standpunkt ist Bismarck unter 
politischem Gesichtswinkel der Ansicht, daß die Ausübung des 
Gnadenrechts, in Gemäßheit ihrer natürlichen Bestimmung nur 
dann erfolgen solle, wenn sie im Einklang mit dem Prinzip der 
ausgleichenden Gerechtigkeit stehe. 
  
¹²²) § 590. 
¹²³) Gesetzrevision. Pens. XII, pag. 93. 
¹²⁴) efr. v. Rönne, Pr. Staatsr. Teil 1a, § 58 ff.
	        
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