Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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„Wenn der Kaiser hiernach für die gesamten Pläne des 
Kanzlers auch angesichts der gegenwärtigen Lage mit solcher 
Entschiedenheit eintritt, so ist für Fürst Bismarck zunächst kein 
Grund vorhanden, dem Dienst des Vaterlandes zu entsagen: 
nach dem Ausfall der Wahlen konnte es vielleicht zweifelhaft er= 
scheinen, ob die Bedingung, von der er stets sein Verbleiben 
abhängig gemacht, nämlich die volle Zustimmung und der ent= 
schiedene Wille des Monarchen, noch in gleicher Kraft vorhanden 
auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem 
Umfange nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem 
Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein. 
Auch die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen 
Steuerreform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch indirekte 
Reichssteuern hin, um die Regierungen in den Stand zu setzen, dafür drückende 
direkte Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armen= und Schul= 
lasten, von Zuschlägen zu Grund= und Personalsteuern und von anderen drückenden 
direkten Abgaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in be= 
nachbarten Ländern gemachten Erfahrungen in der Einführung des Tabak= 
monopols, über welche wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reichs 
herbeizuführen beabsichtigen. Hierdurch und demnächst durch Wiederholung 
früherer Anträge auf stärkere Besteuerung der Getränke sollen nicht finanzielle 
Überschüsse erstrebt werden, sondern die Umwandlung der bestehenden direkten 
Staats= und Gemeindelasten in weniger drückende indirekte Reichssteuern. Diese 
Bestrebungen sind nicht nur von fiskalischen, sondern auch von reaktionären 
Hintergedanken frei; ihre Wirkung auf politischem Gebiete wird allein die sein, 
daß wir kommenden Generationen das neu entstandene Reich gefestigt durch ge= 
meinsame und ergiebige Finanzen hinterlassen. 
Die Vorbedingung für weitere Beschlußnahmen über die erwähnten sozialen 
und politischen Reformen besteht in der Herstellung einer zuverlässigen Berufs= 
statistik der Bevölkerung des Reichs, für welche bisher genügendes und sicheres 
Material nicht vorliegt. Soweit letzteres im Verwaltungswege beschafft werden 
kann, wird es in kurzem gesammelt sein. Vollständige Unterlagen aber werden 
nur durch gesetzliche Anordnung, deren Entwurf dem Reichstage zugehen wird, 
zu gewinnen sein. 
Wenn danach auf dem Gebiete der inneren Reichseinrichtungen weitgreifende 
und schwierige Aufgaben bevorstehen, deren Lösung in der kurzen Frist einer 
Session nicht zu bewältigen ist, zu deren Anregung Wir Uns aber vor Gott 
und Menschen, ohne Rücksicht auf den unmittelbaren Erfolg derselben, verpflichtet 
halten, so macht es Uns um so mehr Freude, Uns über die Lage unserer aus= 
wärtigen Politik mit völliger Befriedigung aussprechen zu können. 
Wenn es in den letzten zehn Jahren, im Widerspruch mit manchen Vorher= 
sagungen und Befürchtungen, gelungen ist, Deutschland die Segnungen des
	        
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