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sei. ¹²⁷) Die jetzige Kundgebung des Kaisers, die unzweifelhaft den
vorherigen persönlichen Eröffnungen entspricht, hat in dieser Be=
ziehung keine Unklarheit mehr gelassen.
Es wird sich nun darum handeln, ob sich in dem neuen
Reichstage eine Mehrheit findet, welche bereit ist, die weit=
greifenden schwierigen Aufgaben, deren Anregung der Kaiser für
seine Herrscherpflicht hielt, mit dem Kanzler in Angriff zu nehmen.“
Die Kaiserliche Botschaft wurde durch Verfügung des Mi=
nisters des Innern wegen ihrer hohen Bedeutung für das ge=
samte Volk in allen Gemeinden durch Anschlag zur öffentlichen
Kenntnis gebracht.
Infolge der Botschaft wurde in Reichstag und Presse die
Frage aufgeworfen, ob der König von Preußen ein derartiges
Recht seiner persönlichen Meinung habe. ¹²⁸) „Unter dem Hinweis,
daß die Person des Königs unverletzlich sei und weil der Reichs=
kanzler, bezw. die Minister die formale Verantwortlichkeit für die
Friedens zu erhalten, so haben Wir doch in keinem dieser Jahre mit dem
gleichen Vertrauen auf die Fortdauer dieser Wohltat in die Zukunft geblickt,
wie in dem gegenwärtigen. Die Begegnungen, welche wir in Gastein mit dem
Kaiser von Österreich und dem König von Ungarn, in Danzig mit dem Kaiser
von Rußland hatten, waren der Ausdruck der engen persönlichen und politischen
Beziehungen, welche Uns mit den Uns so nahe befreundeten Monarchen und
Deutschland mit den beiden mächtigen Nachbarreichen verbinden. Diese von
gegenseitigem Vertrauen getragenen Beziehungen bilden eine zuverlässige Bürg=
schaft für die Fortdauer des Friedens, auf welche die Politik der drei Kaiserhöfe
in voller Übereinstimmung gerichtet ist. Darauf, daß diese gemeinsame Friedens=
politik eine erfolgreiche sein werde, dürfen wir um so sicherer bauen, als auch
Unsere Beziehungen zu allen anderen Mächten die freundlichsten sind. Der
Glaube an die friedliebende Zuverlässigkeit der deutschen Politik hat bei allen Völkern einen Bestand gewonnen, den zu stärken und zu rechtfertigen Wir als
Unsere vornehmste Pflicht gegen Gott und gegen das deutsche Vaterland betrachten.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 17. November 1881.
Wilhelm.
Fürst von Bismarck.
¹²⁷) efr. „Provinzial=Correspondenz“ vom 17. November 1881.
¹²⁸) efr. „Provinzial=Correspondenz“ vom 11. Januar 1882.
Bismarcks Staatsrecht 23